„Einsam, einsam“ - Angelika Schrobsdorff gestorben

Berlin (dpa) - Es war ein spannendes und erfolgreiches, aber wohl auch ein tieftrauriges Leben. „Ich habe keine Worte mehr, ich bin einsam, leer, einsam, einsam, einsam“, gestand die Schriftstellerin Angelika Schrobsdorff schon vor Jahren.

„Einsam, einsam“ - Angelika Schrobsdorff gestorben
Foto: dpa

Ihre vielen beliebten Bücher, selbst ihren Bestseller „Du bist nicht so wie andre Mütter“ ließ sie nicht als Trost gelten. Am Samstag (30. Juli) ist die Autorin mit 88 Jahren in Berlin gestorben, wie ihr Verlag am Dienstag bestätigte.

Nach langer Zeit in Paris und fast einem Vierteljahrhundert in Jerusalem war Schrobsdorff vor zehn Jahren in ihre alte Heimat zurückgekehrt. „Es stirbt sich bequemer in Berlin und leichter in der eigenen Sprache“, sagte sie damals in einem Gespräch mit der „Berliner Zeitung“. Der dtv Verlag würdigte sie als „unerschütterliche, unbestechliche und streitbare Frau“.

1927 als Tochter eines wohlhabenden Berliner Bauunternehmers und einer assimilierten Jüdin in Freiburg geboren und zunächst behütet im Grunewald aufgewachsen, musste sie 1939 mit ihrer Mutter vor der Nazis nach Bulgarien fliehen - die Familie väterlicherseits wollte die „jüdische Belastung“ loswerden. Ihre Großeltern wurden während der Schoah in Theresienstadt ermordet.

Die Zäsur durch Krieg und Nazizeit beschrieb Schrobsdorff später in dem Roman „Du bist nicht so wie andre Mütter“ (1992), der mit Katja Riemann in der Hauptrolle verfilmt wurde. Auch in anderen Werken verarbeitete sie immer wieder eigene Erfahrung. „Sie erzählt, was sie erlebt hat, und sie erzählt es mit Distanz und zärtlicher Ironie“, schrieb die große französische Kollegin Simone de Beauvoir im Vorwort zu Schrobsdorffs Erzählband „Die Reise nach Sofia“ (1983).

1947 kehrte sie nach Deutschland zurück und begann wenige Jahre später nach einer schweren persönlichen Krise zu schreiben. Ihr erster Roman „Die Herren“ sorgte wegen seiner Freizügigkeit für Aufruhr. Weitere wichtige Werke waren etwa „Die kurze Stunde zwischen Tag und Nacht“ (1978), „Jericho, eine Liebesgeschichte“ (1995) und „Grandhotel Bulgaria“ (1997).

Nach einer gescheiterten Ehe mit dem französischen Filmemacher Claude Lanzmann („Shoah“) wandert Schrobsdorff 1983 nach Jerusalem aus. Doch auch dort wird sie nicht wirklich glücklich. Weil sie „aus Gerechtigkeitssinn“, wie sie sagt, für die Palästinenser Partei ergreift, gilt sie bei den Israelis bald als Nestbeschmutzerin und Querulantin. Einige ihrer Bücher sind bis heute nicht auf Hebräisch erschienen.

Als die Autorin 2006, verbittert über die politische Lage in Israel nach Berlin zurückkehrt, ist sie eine gebrochene Frau. Sie hat sich ihre lange so freizügig gelebte Lust „abgeschnitten“, hadert mit dem Alter und leidet unter Schreibblockade. „Der Vogel hat keine Flügel mehr“ heißt bezeichnenderweise ihr letztes Buch mit Briefen des Halbbruders an die gemeinsame Mutter. Wie sagte sie einmal zu ihrer Rückkehr nach Berlin? „Ich bin nicht gekommen, um hier zu leben, sondern um hier zu sterben.“

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