„Der unbekannte Zille“: Bisher unveröffentlichte Biografie

Berlin (dpa) - Eine bisher unveröffentlichte frühe Biografie des Berliner Zeichners Heinrich Zille (1858-1929) wirft einen Blick auf die Selbstzweifel Zilles im Alter und seine stillschweigende Zustimmung zur um sich greifenden „Vermarktung“ des „Zille-Milljöhs“.

„Der unbekannte Zille“: Bisher unveröffentlichte Biografie
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Die von der Berliner Akademie der Künste herausgegebene Literaturzeitschrift „Sinn und Form“ publiziert in ihrer jüngsten Ausgabe (4/2014) Auszüge aus der bisher unveröffentlichten und schon Anfang der 30er Jahre fertiggestellten Zille-Biografie des Schriftstellers Erich Knauf (1895-1944). Hier kommt auch Zille selbst noch zu Wort („Gequält habe ich mich genug, um etwas zu erreichen“).

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Knauf meint, es sei Zille kein Geheimnis geblieben, „daß er nicht erreicht hatte, was er wollte“. Denn „sein zeichnerischer Stil“ - bei Kaisers nannte man ihn einen „Rinnsteinmaler“ - „genügte gerade für das Witzblatt“. Der Schriftsteller Wolfgang Eckert, der den Nachlass Knaufs erhielt, betont in einer Nachbemerkung in „Sinn und Form“, Knauf habe sich in seiner Biografie dagegen gewandt, „Zille zu einem zeichnenden Witzbold zu machen“. Er habe auch versucht, Zille stärker als Künstler darzustellen „und nicht als Pinselheinrich, als der er in Leierkastenmelodien besungen wurde“.

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Im Alter war Zille in den 20er Jahren nicht nur ein Geschäft für Verleger, jetzt wurden auch Zillebälle („Lumpenbälle“) große Mode, es gab Zillekneipen, Zillefilme und Lebkuchen in Gestalt von Zilletypen. Im ehemaligen königlichen Schauspielhaus am Berliner Gendarmenmarkt wurde sogar zum „Hofball bei Zille“ geladen - „Kitsch in Überlebensgröße“, notierte Knauf, und auch: „Zille gab zu allem seinen Segen. Es brachte ihm Geld und Ehren.“

Das rund hundertseitige Manuskript, in dem Zille oft selbst zu Wort kommt, malt Eckert zufolge auch ein sozialkritisches Gesellschaftsbild jener Zeit, was auch eine Veröffentlichung in der NS-Zeit verhinderte. In der Nachkriegszeit geriet Knauf in Vergessenheit, zu Unrecht, wie Eckert meint. Zille starb am 9. August 1929 im Alter von 71 Jahren und erhielt ein Ehrengrab auf dem Prominentenfriedhof Stahnsdorf bei Berlin.

Im Theater am Kurfürstendamm steht in diesem Sommer wieder Walter Plathe als „Vater Zille“ auf der Bühne.

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