Comic: Der gezeichnete Afghanistan-Krieg

„Tschak, Pzsch, Ptoff“ — in Form eines Comics wagt sich Arne Jysch an den Bundeswehr-Einsatz im Hindukusch.

Düsseldorf. Es war in einem dieser vergilbten Kreiswehrersatzämter mit PVC-Belag auf dem Fußboden. Damals, 1993, hatte Arne Jysch das letzte Mal etwas mit der Bundeswehr zu tun. Es war seine Musterung. So wenig der Wehrdienst für ihn infrage kam, so unwahrscheinlich war die Vorstellung, dass die Bundeswehr nur zehn Jahre später ihre schweren Waffen nicht mehr nur auf Zielscheiben aus Pappe, sondern auf reale Menschen in Afghanistan richten muss.

Doch dieser Einsatz, der Krieg am Hindukusch, war es, der Jysch dazu brachte, sich wieder mit der Bundeswehr zu beschäftigen. „2008 habe ich mich mit einem Deutsch-Afghanen unterhalten. Der hatte ziemlich radikale Ansichten zu dem Einsatz“, sagte Jysch. Er fing an, über das Gespräch nachzudenken, und begriff: „Eigentlich hatte ich keine Ahnung, was dort passiert.“ Er begann zu recherchieren. Las Bücher von Soldaten, die im Einsatz waren, sah Berichte und Filme. Drei Jahre lang.

Dabei herausgekommen ist jetzt die erste deutsche Graphic Novel, vereinfacht gesagt ein Comic, über den umstrittenen Kriegseinsatz am Hindukusch. Eine fiktive Geschichte um den Hauptmann Menger. Sie zeigt Tod, seelische Verwundung, Trinkspiele, Patrouillen und das Leben der Soldaten zurück in Deutschland, das plötzlich ganz anders geworden ist. Die Familie ist kaputt. In der Kaffeehaus-Kette werden Soldaten als „Mörder“ bezeichnet.

„Ich hatte Angst, dass ich in die Klischeefalle tappe“, sagte Jysch. Nicht Spielfilme sollten das Buch beeinflussen, sondern möglichst reale Berichte. Schwierig, wenn man wie der Autor nie selbst in die Region gereist ist. Von einer Journalistin ließ er sich Fotos und detaillierte Beschreibungen geben. Auch das Verteidigungsministerium unterstützte ihn. „Ich musste erst mal lernen, was für Panzer die überhaupt haben oder mit wie vielen Hubschraubern man zum Einsatz rausfliegt“, sagte Jysch.

Der Schlüssel zur Authentizität liegt jedoch nicht nur im korrekten Fuhrpark und in den Bildern. Auch die Sprache muss stimmen. Und die der Bundeswehr ist für Zivilisten bisweilen sonderlich: „Charly an alle: Klarmachen für ein geordnetes Ausweichen. Sammelstelle: ’Highway Triangle’ — Ende“, brüllt ein Soldat etwa ins Funkgerät, nachdem die Truppe unter Beschuss geraten ist und sich zurückzieht.

„Ich bin da schon ziemlich akribisch rangegangen“, sagt Jysch. Auf gar keinen Fall sollte sein Buch oberflächlich werden. „Wenn ich Fernseh-Reportagen gesehen habe, habe ich immer versucht, zwischen den Zeilen zu lesen, und mir vorzustellen, was in ihren Köpfen vorgeht.“

Auch wenn sich mittlerweile einzelne Soldaten an die Öffentlichkeit trauen. Was der Krieg wirklich mit ihnen macht, können die meisten nur schwer artikulieren. In den USA etwa wurde eine Studie zu traumatisierten Soldaten verfasst. Sie hat ergeben, dass sie trotz alarmierender Symptome keinen Arzt aufgesucht haben, weil sie Angst vor einem Karriereknick hatten oder Stigmatisierung durch ihre Kameraden befürchteten.

Jysch ist es in seinem Comic gelungen, sich nicht auf eine Seite zu stellen. Er will kein Mitleid mit den Soldaten erzeugen oder versuchen, den Krieg zu rechtfertigen oder zu verteufeln. „Ich will, dass die Leser die Zwischentöne mitbekommen.“

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