Bloß weg von der Fleischtheke

Karen Duves neuer Bestseller „Anständig essen“ ist ebenso informativ wie unterhaltsam. Die Autorin liest aus ihrem Buch am 3. Februar um 19.30 Uhr im Düsseldorfer Heine Haus, Bolkerstraße 53. Es gibt noch Restkarten an der Abendkasse.

Düsseldorf. Die Verdrängung funktioniert hervorragend, auch bei Karen Duve ging es lange gut. Die Schriftstellerin („Taxi“) liebte zum Beispiel die „Hähnchen-Grillpfanne“ aus dem Supermarkt („schmackhaft, preisgünstig und einfach in der Zubereitung“) — bis ihre Mitbewohnerin ihr den Karton aus der Hand riss: „Wie kannst du dieses Qualfleisch kaufen?“

Da erinnerte sich die 49-Jährige, mal gehört zu haben, „dass die Bedingungen, unter denen dieses Huhn einmal gelebt hatte, wohl eher unerfreulich waren“. Wie ihr geht es den meisten Menschen. Der Anblick der adrett abgepackten Fleischstücke in der Kühltheke wird im Gehirn keineswegs mit den Berichten über Massentierhaltung kombiniert, obwohl es sich um ein schlichtes Vorher-Nachher-Muster handelt.

Karen Duve ließ sich vom knusprigen Hähnchen fortan nicht mehr locken, sondern aß mal anders. Sie ernährte sich im vorigen Jahr je zwei Monate biologisch, vegetarisch, vegan und frutarisch. Wie das ihr Leben verändert hat, beschreibt sie im Buch zum Selbstversuch.

Dessen Titel „Anständig essen“ klingt nach großer Moralkeule, ist aber angenehmerweise anders angelegt. Karen Duve gibt nicht den edlen Gutmenschen, sondern steht selbst in dem Dilemma zwischen moralischem Anspruch und gedankenlosem Handeln.

Sie erschrickt zunächst, als sie manche Preise im Bioladen sieht. Sie erschrickt noch mehr, als ihr klar wird, dass Biofleisch keine Alternative ist. „Da Bio boomt, sind die Biolandwirte nicht mehr allesamt vollbärtige Idealisten, die ihre Schweine tätscheln, sondern es gibt auch die Profitmaximierer, die gesetzliche Spielräume bis zum Anschlag ausreizen.“ Diese Spielräume sind groß und machen die Welt für Hühner, Schweine und Kühe sehr eng.

Schwungvoll informiert die Autorin bis ins schaurige Detail, wie gnadenlos die Nahrungskette auf Gewinnmaximierung ausgerichtet ist. Sie entlarvt, wie lässig sich Verbraucher in Ausreden flüchten, wie leichtfertig sie das millionenfache Leid der Nutztiere zulassen, aber beim eigenen Hund jede tiermedizinische Möglichkeit ausschöpfen — sie hat ja selbst einen.

Da bricht sich viel Wut Bahn, ebenso aber kernige Komik: „Bis heute wird darüber gestritten, ob die psychischen Eigenschaften der Tiere im Wesen oder im Grad von unseren verschieden seien. Aber das habe ich mich bei meinen Lebenspartnern auch jedes Mal gefragt, ohne zu einer befriedigenden Antwort zu kommen.“

Ein Zyniker würde sagen, dass der Dioxin-Skandal aus Marketing-Sicht für ihr Buch genau passend kam. Jedenfalls ist sie derzeit aus Talkshows nicht wegzudenken, ihr Buch rangiert auf Platz vier der „Spiegel“-Bestsellerliste.

Karin Duve konnte nach dieser Erfahrung nicht wieder zurück in ihr altes Leben. Im Vergleich zu früher konsumiere sie heute 90 Prozent weniger Fleisch, Fisch und Milchprodukte, sagt sie. Vor allem hat sich vorgenommen:

„Nie wieder Fleisch aus Massentierhaltung.“ Ihre Katzen bestehen allerdings weiter auf konventionellem Dosenfutter. Trotzdem: „Irgendwo muss Schluss sein. Dass Tiere durch zutiefst grausame Haltungsbedingungen gequält und auf barbarische Weise getötet werden, ist nicht hinnehmbar. Ein Verbrechen ist auch dann ein Verbrechen, wenn es alle tun.“

Karen Duve liest aus ihrem Buch „Anständig essen — ein Selbstversuch“ (Verlag Galiani Berlin, 335 Seiten, 19,95 Euro) am 3. Februar um 19.30 Uhr im Düsseldorfer Heine Haus, Bolkerstraße 53. Es gibt noch Restkarten an der Abendkasse.

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