Biografie: Joseph Goebbels - Der Sprecher des Bösen

Peter Longerich beschreibt den Nazi-Minister Joseph Goebbels anhand seiner Tagebücher als unsicher und narzisstisch.

Berlin. Der 12. Juli 1925 veränderte sein Leben. An jenem Tag begegnete Joseph Goebbels zum ersten Mal Adolf Hitler. "Ich stehe draußen am Fenster", schrieb der Mann aus Rheydt in sein Tagebuch, "und weine wie ein kleines Kind. Hitler geht. Ich bin ein anderer. Für den Mann bin ich alles zu opfern bereit."

So begann eine verhängnisvolle Beziehung, die 20 Jahre später im Führerbunker in Berlin enden sollte. In Hitler, so zeigt Peter Longerich, hatte Joseph Goebbels endlich einen "Erlöser" gefunden, der seinem irrlichternden Leben Sinn und Richtung gab.

Denn eigentlich war Goebbels ein Gescheiterter. Nichts wollte ihm so recht gelingen. Sein Studium der Germanistik und Geschichte hatte er zwar zu Ende geführt. Doch danach konnte er weder eine Anstellung als Zeitungsredakteur ergattern, noch hatte er als Schriftsteller Erfolg. Auch sonst war er ein Suchender. Sein Weltbild war wirr. Doch mit Hitler änderte sich alles.

Der Londoner Professor Peter Longerich ist Holocaust-Spezialist und hat bereits eine Heinrich- Himmler-Biografie vorgelegt. Für sein neues Buch konnte er auf die erst seit 2006 vollständig vorliegenden Tagebücher Goebbels’ zurückgreifen - 32 Bände, in denen die 6000 bis 7000 hand- und 50 000 maschinengeschriebenen Seiten zusammengefasst sind.

Diese für die Nachwelt verfassten Tagebücher waren Goebbels so wichtig, dass er sie zum Teil in unterirdischen Tresoren der Reichsbank und auf Glasplatten sichern ließ. Nach dem Krieg sollten sie in einer Geschichte des Nationalsozialismus publiziert werden. Laut Longerich waren diese Ergüsse angelegt als "Teil einer Erfolgsdokumentation". Ihr strahlender Held war Joseph Goebbels als genialer Lenker der Nazi-Propaganda, dem es gelungen war, das deutsche Volk hinter Hitler zu vereinen.

Sein Leben lang habe diese zutiefst unsichere und narzisstische Persönlichkeit, die rechts einen Klumpfuß hatte, nach Anerkennung gelechzt. Ganz besonders wichtig war für Goebbels die Bestätigung durch Hitler. In seiner bedingungslosen Hingabe habe er auch hingenommen, immer wieder gedemütigt zu werden.

Häufig versprochene Ämter bekam er nie, von wichtigen politischen Entscheidungen wurde er oft erst spät oder gar nicht unterrichtet. Trotzdem wagte der Propagandaminister, der die antisemitische Hetze perfektioniert hatte, und spätere Generalbevollmächtigte für den totalen Kriegseinsatz keine Kritik.

Auch sein Privatleben hat er in den Dienst Hitlers gestellt. Als er sich in die tschechische Filmschauspielerin Lida Baarova verliebte und sich von seiner Frau Magda trennen wollte, wurde das Ehepaar zum Führer zitiert. Die Liebesgeschichte avancierte zur Staatsaffäre. Das Paar musste zusammenbleiben - schließlich waren die Goebbels die nationalsozialistische Vorzeigefamilie.

Die fatale Bindung fand ihren folgerichtigen Abschluss im Suizid im Führerbunker: "Indem er Hitler mit seiner Familie in den Selbstmord folgte, hatte er seine besondere Beziehung zu dem Idol für alle Zeiten festgeschrieben."

Longerichs Buch ist faktenreich und gut lesbar. Auch zerstört es einige Mythen wie etwa den von Goebbels’ angeblicher Allmacht über den Propaganda-Apparat. Leider aber hat sich der Autor allzu sehr von den Tagebüchern faszinieren lassen.

So wird das Leben Goebbels’ fast nur aus den Augen des Propagandaministers erzählt. Was fehlt, ist die Außensicht. Goebbels hat wie kaum eine andere Nazi-Größe sowohl Faszination als auch Abscheu bei seinen Zeitgenossen hervorgerufen. Über die Wirkung auf andere würde der Leser daher gerne mehr erfahren.

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