Arabische Literaturtage: Durch Verse zur Freiheit

Frankfurt/Main (dpa) - Durch den prachtvollen Lesesaal des Frankfurter Literaturhauses donnern am Samstagabend massige Beats: Der ägyptische Rapper Deeb beschließt die Arabischen Literaturtage mit einem Hip-Hop-Konzert.

In seinem Ohrwurm „Masrah Deeb“ („Deebs Bühne“) rappt der 1984 in Kairo geborene Sänger: “Musik ist ein Löschzug, sie killt das Feuer.“

Deeb fasst das in seiner Musik zusammen, was die beiden vorangegangenen Tage im Literaturhaus diskutiert wurde: die Kraft künstlerischen Schaffens im Angesicht des Arabischen Frühlings. Er ist einer der Hoffnungsträger der dortigen Kunstszene: jung, talentiert und voller Freiheitsdrang.

Dazu zählt auch die 1974 in Syrien geborene Autorin Rosa Yassin Hassan. Als sie während einer Podiumsdiskussion redet, herrscht im Lesesaal eine gespannte Stille. Sie spricht leise und lächelt nur selten: „Ich bin nach Frankfurt gekommen, um über die Lage in Syrien zu berichten“. Sie sei eine von hunderten Künstlerinnen, die unter der Zensur litten. Viele Schriftsteller müssten bei den Behörden Genehmigungen einholen, um überhaupt etwas veröffentlichen zu dürfen. Sollte ein Verlag ohne Erlaubnis ein Buch drucken, dann würden die Verantwortlichen vor Gericht gestellt.

Das Manuskript ihres Romans „Ebenholz“ habe zwar in Syrien einen Literaturpreis gewonnen, sei dann aber dennoch nur mit Einschränkungen gedruckt worden, berichtet die Schriftstellerin. Es gehe aber nicht nur darum, die Zensur auszutricksen, sondern die Gesellschaft zu verändern: „Wenn wir nicht mehr von Freiheit träumen, dann kriegen wir auch keine Revolution hin.“

Von Freiheit träumt auch Ali al-Dschalawi. Der 1975 in Bahrain geborene Lyriker lebt noch bis März als Stipendiat des P.E.N.-Zentrums in Weimar. Danach wolle er als Asylsuchender weiter in Deutschland bleiben. Im Alter von 17 Jahren wurde er das erste Mal in seinem Heimatland verhaftet. Im Gefängnis fand er zur Literatur. Er sieht die Potenziale der aktuellen Revolution in den sozialen Netzwerken: „Sie wird gestaltet von ganz normalen jungen Leuten, die über Facebook, Twitter und Weblogs direkt miteinander kommunizieren. All diese Dinge erschaffen ein großes Verständnis für Demokratie. Die Menschen sehen die Unterschiede zwischen einer Zivilgesellschaft und den herrschenden Regimes.“

In Syrien sei Facebook erst seit Beginn der Revolution zugelassen, erzählt Yassin Hassan. Das sei aber nur ein kleines Zugeständnis, denn auch das Internet werde ständig beobachtet. Die Unterdrückung in Syrien könne mit keinem anderen arabischen Land verglichen werden. Dutzende Menschen säßen in Haft, weil sie etwas im Netz publiziert hätten. Von den Sicherheitsbehörden werde gezielt nach den Passwörtern gefragt, um weitere Menschen ausspionieren zu können.

Yassin Hassan sagt, das syrische Volk zahle einen hohen Preis für die Würde, die es erreichen wolle. Mehrere ihrer Bekannten seien vor ihren Augen auf offener Straße erschossen worden. Nun habe sie Angst um sich und ihr Kind. Und dennoch wolle sie nicht schweigen, denn das wäre ein falsches Signal: „Verrat kann auch sein, etwas nicht zu sagen.“ Seit Beginn der Revolution schreibe sie nur noch dokumentarisch - literarisches Formulieren komme erst mit zeitlichem Abstand.

Rosa Yassin Hassan: Ebenholz. Alawi-Verlag, 289 S., 19,90 Euro, ISBN 9783941822023

Abbas Khider: Der falsche Inder. Edition Nautilus, 160 S., 16,00 Euro, ISBN 9783894015763

Abbas Khider: Die Orangen des Präsidenten. Büchergilde, 160 S., 16,00 Euro, ISBN 9783894017330

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