Andrea Maria Schenkel ist bei sich angekommen

Hamburg (dpa) - Seit „Tannöd“ und „Kalteis“ gehört Andrea Maria Schenkel zu den erfolgreichsten Krimiautorinnen Deutschlands. Allein „Tannöd“ verkaufte sich über eine Million Mal und wurde fürs Kino verfilmt.

Die 49-Jährige mag es ungezwungen. In einen schwarzen Schal gekuschelt, mit Pulli und bequemer Hose erscheint sie zum Interview in ihrem neuen Verlag Hoffmann & Campe in Hamburg mit Blick auf die Alster. Mit der Nachrichtenagentur dpa spricht die aus Regensburg stammende Autorin über ihren neuen Roman „Finsterau“, warum ihr Buch „Bunker“ für sie persönlich so wichtig ist, obwohl sie es zugleich nicht mochte, und warum der 21. März für sie in diesem Jahr ein Tag wie jeder andere ist.

„Tannöd“ und „Kalteis“ waren Bestseller. Beide basierten auf wahren historischen Fällen. Der Nachfolger „Bunker“ hingegen war rein fiktiv. Sind Sie mit Ihrem neuen Buch „Finsterau“ jetzt wieder zu Ihrem Erfolgsrezept zurückgekehrt?

Schenkel: „Teilweise. In der Tat liegt "Finsterau" wieder ein realer Fall zugrunde. Die Geschichte liegt aber erst 60 Jahre zurück und es gilt eine Sperrfrist von 80 Jahren. Vorher darf man nicht in die Archive, damit man keine Persönlichkeitsrechte verletzt. Den Zeitungsartikel darüber habe ich schon seit Jahren - noch bevor ich "Tannöd" schrieb.“

In der Geschichte geht es um den Mord an einer jungen Frau und ihrem Kind, sie spielt in der Nachkriegszeit im Bayerischen Wald. Wieso hat gerade dieser Fall Sie so interessiert?

Schenkel: „Die Figur des Vaters der Frau hat mich fasziniert. Ich habe sofort ein genaues Bild von ihm vor Augen gehabt. Ein bisschen schwerfällig, verwirrt und mit Hosenträgern.“

Ist die Zeit, in der die Geschichte spielt, wichtig für die Handlung?

Schenkel: „Ich habe die Zeit einfach übernommen. Es ist nach dem Zweiten Weltkrieg, aber noch vor der Gründung der Bundesrepublik. Es ist eine Zeit zwischen der Zeit - ein Land in Auflösung.“

Der Ort, die Zeit, die Menschen, ihre Sprache, das alles klingt sehr authentisch. Wie versetzen Sie sich beim Schreiben da hinein?

Schenkel: „Ich liebe alte Magazine, Zeitschriften und Bücher. Die besorge ich mir, schaue Filme, frage mich, was trugen die Menschen zu der Zeit, wie waren sie eingerichtet, was dachten sie?“

„Bunker“ war nicht so erfolgreich wie seine beiden Vorgänger. Liegt Ihnen das rein Fiktive nicht so?

Schenkel: „"Bunker" war für mich ein wahnsinnig wichtiges Buch. Ich mochte es nicht. Aber es war für mich persönlich unglaublich wichtig. Durch das Buch habe ich gemerkt, dass ich nicht mehr so sein wollte, wie andere mich haben wollten. Danach habe ich einiges in meinem Leben geändert.“

Sie schreiben heute nicht mehr zu Hause in Regensburg?

Schenkel: „Die Vorarbeit entsteht bei Freunden in einem Haus in einem kleinen Ort in der Nähe von New York. In meiner bequemen Schlabberhose, mit Laptop und viel Kaffee sitze ich im Bett und schreibe erst mal so viel es geht. Später schmeiße ich dann einiges wieder raus.“

Sie haben auch den Verlag gewechselt - von Nautilus zu Hoffmann & Campe.

Schenkel: „Ja, das ist wie mit anderen Beziehungen. Irgendwann stellt man fest, dass die Vorstellungen auseinandergehen.“

Gibt es einen roten Faden zwischen all Ihren Büchern, etwas Gemeinsames?

Schenkel: „Es sind vielleicht die Frauengestalten. Sie stoßen in ihrer Welt an Grenzen. Eine Art kleine Rebellion. Mich hat es schon als Kind gestört, so festgelegt zu sein.“

Am 21. März werden Sie 50. Feiern Sie?

Schenkel: „Dazu wird wohl keine Zeit sein, da ich dann gerade auf Lesereise sein werde.“

Was bedeutet Ihnen die Zahl 50?

Schenkel: „Ich habe 50 Jahre gebraucht, bis ich mich getraut habe, ich selbst zu sein. Jetzt bin ich angekommen. Ich möchte keinen einzigen Tag jünger sein.“

Interview: Karolin Köcher, dpa

Andrea Maria Schenkel: Finsterau, Hoffmann & Campe Verlag, Hamburg, 125 Seiten, 16,99 Euro, ISBN 978-3-455-40381-7

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