Konzert Bosse bringt das Zelt zum Tanzen

Bochum · Auf seiner „Alles ist jetzt“-Tour machte der Sänger Station beim Zeltfestival Ruhr und sorgte für ausgelassene Stimmung. Mit dabei: Ein Überraschungsgast.

 Auf der Bühne gibt der Musiker Bosse immer alles.  Beim Zeltfestival Ruhr war er einer der Haupt-Acts der diesjährigen Veranstaltung.

Auf der Bühne gibt der Musiker Bosse immer alles. Beim Zeltfestival Ruhr war er einer der Haupt-Acts der diesjährigen Veranstaltung.

Foto: picture alliance/dpa/Christoph Schmidt

Wer zum ersten Mal das Zeltfestival Ruhr am Kemnader Stausee an der Grenze zwischen Bochum und Witten besucht, wird schnell eines feststellen: der Name der Veranstaltung ist Programm. Schon von weitem sind die vielen weißen Zeltspitzen zu sehen, die wie kleine Türme in den Himmel ragen und den Weg zum Festivalgelände weisen. Das größte von ihnen ist an diesem sommerlichen Augustabend für Axel, genannt „Aki“, Bosse reserviert. 39 Jahre alt. Indie-Musiker und Chartstürmer in einer Person.

Das war nicht immer so. Noch vor ein paar Jahren, so erzählt es der Musiker später auf der Bühne, war für ihn das kleine Nebenzelt gebucht, während ein paar Meter weiter der große Joe Cocker ein Konzert gab. Die Zeiten sind mittlerweile vorbei. Zwar hat der gebürtige Braunschweiger nicht die internationale Bekanntheit des mittlerweile verstorbenen britischen Rocksängers, doch national ist er längst von einem Geheimtipp zu einer festen Größe im Pop-Geschäft aufgestiegen.

Spätestens seit er vor sechs Jahren mit seinem Song „So oder so“ Stefan Raabs „Bundesvision Song Contest“ vor Johannes Oerding und MC Fitti gewann, spielen die Radio-Stationen seine Lieder rauf und runter. Seine letzten beiden Alben „Engtanz“ (2016) sowie die aktuelle Platte „Alles ist jetzt“ (2018) belegten jeweils Platz eins der Album-Charts.

Und so erscheint es auch nicht verwunderlich, dass sich bereits weit vor Konzertbeginn lange Schlangen am Eingang zum Hauptzelt bilden. Studenten stehen dort ebenso an, wie Eltern mit ihren Kindern, verliebte Pärchen oder Rentner. Es ist ein Treffen der Generationen. Wahrscheinlich liegt darin auch das Erfolgsrezept von Bosse, der es geschafft hat, mit seiner Musik Menschen aller Altersklassen anzusprechen.

Offensichtlich wird dies bereits bei den ersten beiden Songs. Kaum sind die ersten drei Töne von „Wanderer“ gespielt, bricht lauter Jubel im Publikum aus, es wird rhythmisch im Takt geklatscht und Bosse kommt tanzend auf die Bühne, animiert direkt die Leute zum Mitmachen und rudert ausgelassen mit den Armen. Ein Wanderer ist der Wahl-Hamburger allerdings nicht, eher ein Dauerläufer. Hätte er einen Fitnesstracker an seinem Arm gehabt, hätte er nach Konzertende mit Sicherheit locker die Distanz eines Halbmarathons angezeigt bekommen.

Denn Stillstand ist nicht Bosses Ding. Immer in Bewegung wird jeder Quadratzentimeter der Bühne genutzt. Entweder von links nach rechts wie bei „Alles ist jetzt“ oder auch mitten im Publikum bei „Dein Hurra“. So viel Einsatz hinterlässt seine Spuren. Bereits nach der Hälfte des Konzerts glänzt die schwarze Bomberjacke vom Schweiß getränkt wie eine Speckschwarte. Bosse quittiert das mit einem Lächeln. „Ich habe mit 21 Jahren aufgehört, mir Gedanken zu machen, was andere über mich denken können. Deswegen kann ich hier auch so rumhüpfen und schwitzen.“

Eine von vielen Botschaften an diesem Abend: Spaß haben, den Kopf ausschalten, den Moment genießen. Oder einfach mal spontan sein. Da werden bei „Du federst“ plötzlich Reggae-Töne mit eingebaut, die Zuschauer zu einer Tanz-Choreographie aufgefordert oder die siebenköpfige Band muss plötzlich wie in der Waldorfschule mit Stöcken musizieren.

Bei allem Spaß versteht es Bosse aber auch, ernstere Töne anzustimmen. In diesen Tagen sei es wichtig, sich gegen Hass und Rassismus aufzulehnen, sagt er im milchig-gelben Scheinwerferlicht und erzählt, dass ihn die Ereignisse, der vergangenen Jahre dazu bewegt hätten, erstmals ein politisches Lied zu schreiben: „Robert de Niro“. Darin geht es um die Kellnerin Claire, die nachts im Fernsehen schreiende Wutbürger sieht. Sie fühlt sich bei all dem Hass da draußen wie im falschen Film, so als würde Robert de Niro in der Daily-Soap „Berlin Tag und Nacht“ mitspielen.

Es ist einer der wenigen Songs, bei dem die Zuschauer ruhig auf ihrem Platz verharren und einfach nur auf die in blaues Licht gehüllte Bühne blicken. Aber viel Zeit zum Nachdenken bleibt nicht, denn das Konzert muss pünktlich um 22 Uhr zu Ende gehen. Deshalb drückt „Aki“ zum Ende noch einmal aufs Gaspedal, lässt bei „Schönste Zeit“ die rund 4000 Menschen im Zelt den Song fast alleine singen und holt bei „Frankfurt Oder“ einen Überraschungsgast auf die Bühne: Herr Spiegelei von Deichkind, nur bekleidet mit Badelatschen, Unterhose und weißem Bademantel.

Dieser legt zum Schluss noch ein Trommelsolo aufs Parkett und lässt sich anschließend im Konfettiregen feiern. Dann geht das Licht aus. Die Show ist vorbei. Die Leute drängen zum Ausgang. Und man sieht: Nicht nur Bosse hat an diesem Abend alles gegeben.

(lonn)
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