Unheimlich böse, unheimlich gut Ein Wiedersehen mit Lars Eidinger als Serienmörder

Köln · In der „Tatort“-Folge „Borowski und der gute Mensch“ am Sonntag gelingt eine Fortsetzung. Im Mittelpunkt steht wieder Lars Eidinger.

 Unberechenbar: Kai (Lars Eidinger, r.) zielt auf Borowski (Axel Milberg, l.) in einer Szene aus „Tatort: Borowski und der gute Mensch“.

Unberechenbar: Kai (Lars Eidinger, r.) zielt auf Borowski (Axel Milberg, l.) in einer Szene aus „Tatort: Borowski und der gute Mensch“.

Foto: dpa/Thorsten Jander

Manchmal erschafft der ARD-Dauerbrenner „Tatort“ kriminelle Charaktere, die auf so faszinierende Weise böse und unheimlich sind, dass sie unweigerlich in Erinnerung bleiben. Kai Korthals ist so einer. In zwei Folgen der Borowski-Reihe des NDR – 2012 und 2015 – sorgte Lars Eidinger als „stiller Gast“ und psychopathischer Frauenmörder für Fernseh-Höhepunkte der besonders gruseligen Art. Nun folgt der dritte und abschließende Teil. Und wieder wirft Eidinger, dieser blasse Schlaks mit dem kantigen Schädel, beim Publikum gekonnt das Kopf-Kino an: Als Korthals schleicht er leise umher, stottert, wirkt zart, unsicher und zugleich enorm bedrohlich. Denn wenn etwas nicht nach seinem Willen läuft, weiß er sich nur mit Gewalt zu helfen.

Drehbuch-Autor Sascha Arango dachte sich diese Täterfigur aus, die an Urängste rührt. Korthals bricht in die Wohnungen seiner Opfer ein, benutzt ihre Möbel, Kleider und auch die Zahnbürste. Ein „Lebensdieb“, wie es nun in Film Nummer drei („Borowski und der gute Mensch“) treffend heißt.

Borowski bleibt erstaunlich gelassen

Zu Beginn nutzt Korthals die Gelegenheit einer Probe der anstaltseigenen Theater-AG, um aus dem geschlossenen Maßregelvollzug auszubrechen. Der Berliner Schaubühnen-Star Eidinger darf hier mit dem Monolog des Franz Moor aus dem Schiller-Drama „Die Räuber“ gleich mal eine bühnenreife Show abliefern, die in Tumulten und einem von Korthals gelegten Feuer endet. Kaum entflohen, sorgt der verurteilte Serienmörder für Angst und Schrecken: Er tötet eine junge Frau und nutzt deren Kleid und Kopfhaar zur weiteren Flucht. Die Polizei muss nun die zahlreichen Frauen abklappern, die ihm Liebesbriefe geschrieben haben – in der Gewissheit, dass der Serienmörder sicher verwahrt ist.

Aber auch Korthals hat Briefe geschrieben: an seinen „Freund“, Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg). Doch Borowski hat die „kranke Scheiße“ nie gelesen, verständlicher Weise. Denn Korthals verschleppte und quälte in der Folge „Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes“ (2015) die Liebe des Kommissars, die Polizeipsychologin Frieda Jung (Maren Eggert). Nun scheint Borowski die Nachricht vom Ausbruch seines größten Feinds gelassen zu nehmen. So gelassen, dass seine junge Kollegin Mila Sahin (Almila Bagriacik) irritiert und gereizt reagiert. Während Sahin mit dem Sondereinsatzkommando von Tür zu Tür der bedrohten Frauen zieht, warnt Borowski: „Das macht ihn nur böse.“ Der Kommissar weiß, dass Korthals irgendwann bei ihm auftauchen wird und lässt schon mal den Schlüssel von außen stecken. Aber nicht der Mörder überrascht den im Sessel eingeschlafenen Borowski, sondern eine Bewerberin auf die Stelle als neue Haushälterin. Alma Kovacz (Victoria Trauttmansdorff) gewinnt mit lebenskluger Tatkraft umgehend die Gunst von Borowski. Dem verpeilten Kommissar tut diese „Mary Poppins“ erkennbar gut, dem Film die damit einhergehende Prise Humor.

Für eine weitere, besondere Note sorgt die Schweizer Schauspielerin Sabine Timoteo mit ihrer preiswürdigen Darstellung der blinden Teresa, die ehrenamtlich in der Telefonseelsorge arbeitet und Korthals ebenfalls einen Brief geschrieben hatte. Denn: „Da ist etwas absolut Gutes in ihm – und ich kann das sehen.“ Die Schöne und das Biest reloaded. Bei Teresa unternimmt Korthals einen letzten Versuch, so etwas wie Liebe und Normalität zu erleben. Klasse, wie glaubwürdig Timoteo und Eidinger die Annäherung ihrer Figuren spielen. Auch das Duell zwischen Borowski und Korthals hält einige Überraschungen bereit.

Die Idee, die Figur des bösen Serienmörders sechs Jahre später wiederzubeleben, könnte einer dieser unerfreulichen Versuche sein, den ehemaligen Publikumserfolg mit einer dürftigen Geschichte noch einmal zu verlängern. Aber die „Tatort“-Folge „Borowski und der gute Mensch“ fällt dann doch nicht in die Kategorie „überflüssige Fortsetzung“.

Drehbuchautor Arango bezeichnet den neuen Film als „die Philosophie aus allem“. Es sei ihm wichtig gewesen, dass Korthals zum Abschluss der Trilogie begreife, kein „guter Mensch“ zu sein. Der Täter gewinne die Erkenntnis: „Ich bin ein Unglück für diese Welt. Ich kann nicht anders, als böse zu sein.“

„Tatort – Borowski und der gute Mensch“, ARD, 3. Oktober, 20.15 Uhr

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