Blick auf Nacktheit: Was darf die Kunst zeigen?

Der Fall Edathy hat die Debatte um Bilder entblößter Kinder wieder angeheizt.

Blick auf Nacktheit: Was darf die Kunst zeigen?
Foto: Uwe Zucchi

Düsseldorf. Arglos plante Tobia Bezzola, Direktor des Museums Folkwang in Essen, die Ausstellung mit 2000 Polaroid-Fotos des französischen Künstlers Balthus (1908-2001) — alles Aufnahmen der halbnackten minderjährigen Anna in zweideutigen Posen. Doch die geplante Schau löste eine neue Pädophilie-Debatte in der Kunst aus. Bezzola erkundigte sich beim Jugendamt und sagte die Ausstellung kürzlich ab. Er befürchtete die Schließung durch die Behörden.

Das war noch bevor der Fall des SPD-Politikers Sebastian Edathy ans Licht kam. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) will nun schärfere Regeln für Kinderfotos prüfen, die aufreizend, aber nicht explizit pornografisch sind. Das lässt die Museen aufhorchen. In der Kunst sind aufreizende Kinder seit Jahrhunderten ein gängiges Thema. Barocke Kirchen sind voller nackter Putten (Foto: dpa). Caravaggios nackter „Amor als Sieger“ (1602) lacht auffordernd und spreizt die Beine unnatürlich. Nach heutigen Maßstäben würde das Bild wohl unter das derzeit nicht strafbare „Posing“ fallen.

Immer wieder diskutiert werden auch die Bilder der expressionistischen Maler Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel oder Otto Mueller, die vor 100 Jahren mit minderjährigen Modellen in die Natur zogen. Paul Gauguin (1848-1903) lebte mit einer 13-jährigen Tahitianerin zusammen, die auch sein Modell war.

Was früher gezeigt werden durfte, gerät heute möglicherweise unter Verdacht. Markus Heinzelmann, Leiter des Museums Morsbroich in Leverkusen, sagt, es müsse möglich sein, über Gewalt oder Tabus „in einem vernünftigen Rahmen“ zu diskutieren. „Wenn wir uns die Ausstellungen von Ämtern genehmigen lassen müssen, dann haben wir ein Problem.“

Auch der Direktor des Von der Heydt-Museums in Wuppertal, Gerhard Finckh, warnt davor, die Grenzen der Kunst enger zu ziehen. „Kunst ist das Medium, in dem Tabus verletzt werden.“ Das Problem liege weniger in der Kunst: „Die Lüsternheit liegt im Auge des Betrachters. Deswegen darf man die Kunst nicht verbieten.“

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