Düsseldorf Beyoncé in Düsseldorf: Mehr als nur sexy und süß

Düsseldorf. Mit 40 Minuten Verspätung dröhnt der Bass durchs Stadion, färbt sich der gigantische leuchtende Videowürfel in der Bühnenmitte rot. Dann flackern Bilder auf. Ihr Gesicht, eine Blüte im Mund.

Beyonce wusste das Publikum in Düsseldorf zu begeistern.

Beyonce wusste das Publikum in Düsseldorf zu begeistern.

Foto: Daniela Vesco/Parkwood Entertain

Ihr Gesicht, wie sie lasziv mit der Hand darüberstreicht. Beyoncé bis unter die Decke der Düsseldorfer Arena. Die Menge flippt aus. Jetzt schon. Ein junger Mann um die 18 hält sich die Hände vor den Mund: „Oh Gott, ich zitter’ so hart!“ Fünf Minuten dauert das Vorspiel aus Sound, Licht, Kunstnebel, bis der 34 Jahre alte Superstar aus dem Boden hoch auf die Bühne fährt. Schwarzer Body mit 30 000 Swarovski-Kristallen, geflochtener Rasta-Zopf bis unter den einmaligen Hintern. In der nicht ganz ausverkauften Düsseldorfer Arena hält es am Dienstagabend niemanden mehr auf dem Sitz.

„Düsseldorf, thank you so much for having us!“ Beyoncé Knowles-Carter weiß sich zu benehmen, bedankt sich artig und mehrfach bei ihrem treuen Publikum. „Die meisten von euch haben mich vor 19 Jahren getroffen, mit Destiny’s Child.“ Das kann rechnerisch bei einem Teil des Publikums nicht stimmen, der 1997 eindeutig noch nicht auf der Welt war. Bei vielen, vielen Besuchern aber eben doch. „Queen Bey“ vereint die Generationen unter dem Stadiondach. Mutti in „Dont worry, Be Yoncé“-T-Shirt und daneben zwei Teenie-Freundinnen, von denen eine „Be“ und die andere „Yoncé“ auf der Brust stehen hat.

Artig geht es nach dem Dankeschön dann erst mal gar nicht mehr zu. Beyoncé präsentiert sich so rockig wie nie. So schwarz wie jüngst immer. Und bittersüß bis böse gegenüber alle jenen, die sie kritisieren. Fürs stolze Schwarzsein — an ihrem Merchandise-Stand gibt es sogar Shirts mit der Aufschrift „Boycott Beyoncé“ zu kaufen; jenem Aufruf aus sozialen Netzwerken nach ihrem spektakulären Super-Bowl-Auftritt voller Black-Power-Symbolik. Ein Auftritt, der zu dem viralen Internetclip „The day Beyoncé turned black“ führte — ein Scherzfilm über den Schreck des weißen Amerikas, als es feststellen musste, dass sein großes Pop-Idol tatsächlich und unwiderruflich dunkelhäutig ist (wer’s noch nicht gesehen hat: unbedingt googeln). Oder fürs Rabenmutter-Sein, weil sie trotz kleiner Tochter über die Bühnen der USA und Europas tingelt — entsprechende Einspieler laufen über den Videoquader, garniert mit der Zeile „Bad Bitch“. Hat jemand ihrem Mann Jay-Z das eigentlich schon mal zum Vorwurf gemacht? Mal hebt sie demonstrativ die Mittelfinger, mal sitzt sie headbangend auf einem Thron, oft schleicht sich „fuck“ in allen Variationen in ihre Texte.

Fast drängt sich im ersten Teil der Show doch der Verdacht auf, im Hause Knowles-Carter krisele es gewaltig. Wütend zeigt sich die Sängerin, verhöhnt untreue Männer und die Frauen, die für deren Seitensprünge herhalten. „Die wichtigste Beziehung“, verkündet die Predigerin aller starken Frauen von ihrer Bühne, „ist die, die man mit sich selbst hat.“ Sie verschwindet, eine Gitarristin aus ihrer rein weiblichen Live-Band springt fürs zackige Solo an den Bühnenrand, bis die Sängerin in einem Cape mit großer Cobra auf dem Rücken wieder aus ihrem Riesen-Leuchtwürfel schreitet und röhrt: „Who the fuck do you think I am?“ — was zur Hölle glaubst du, wer ich bin? Und dann werden doch Bilder von ihrer Hochzeit mit dem Hip-Hop-Mogul eingespielt, Filmchen von ihm und der gemeinsamen Tochter, ihr und der Tochter, beiden und der Tochter. Die Halle tobt, die Welt ist wieder in Ordnung.

Beyoncé beweist aber nicht nur, dass sie längst anders kann als sexy und süß. Vor allem kann sie tanzen. Aber wie! Und sie kann singen. Bei ihrer A-cappella-Version von „Love on top“ füllt ihre Stimme mühelos das gesamte Düsseldorfer Stadion. Sie kann weich und dunkel, sie kann laut und hell, sie kann kratzen — und natürlich kann sie vibrieren.

Wem das nicht reicht, der bekommt trotzdem eine fulminante Show geboten. Es gibt Feuer, Rauchbomben, eine Projektion von Beyoncés Gesicht auf dem Riesen-Würfel, wobei ihr Funken aus den Augen sprühen. Sechs Outfits trägt Beyoncé an diesem Abend. Erst schwarz, dann weiß, dann gold. Zu „Crazy in love“ springt sie in rotem Lack aus ihrem Videoquader — da hat sie schon mehr als anderthalb Stunden in den Knochen. Noch mehr, als sie ganz in Weiß mit Schleier und fast blankem Po den Laufsteg längs durch die Arena entlangschreitet, ihre Tänzerinnen im Gefolge, bis zur kleineren Bühne in der Hallenmitte, die plötzlich mit Wasser vollläuft. Sie und ihre Crew wissen, damit zu spielen, sich selbst und die ersten Reihen kunstvoll zu duschen, während „Queen Bey“ ruft: „Where are my survivors at?“ und jene frenetisch jubeln, die ihr noch zu „Destiny’s Child“-Zeiten erlegen sind und den Hit „Survivor“ seit Jahren mitsingen können.

Wollte man etwas kritisieren, es wäre wohl der Drang amerikanischer Künstler, Songs nicht mehr einfach zu spielen wie auf der Platte — so mag es das deutsche Publikum —, sondern sie abzukürzen, zu verzerren, zu interpretieren. Und das Kurzkommen alter Hits: Ganz wörtlich, denn Songs wie „Bootylicious“ und „Naughty Girl“ werden nur ganz kurz angespielt. Aber wer will noch meckern, als schließlich mit „Halo“ einer der erfolgreichsten Beyoncé-Songs überhaupt die Arena erfüllt und die Königin wieder im Bühnenboden versinkt. Nach zwei Stunden. Und die Fans beginnen, zu den Ausgängen zu strömen. Viele sicher noch immer „hart zitternd“.

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