Bernd Alois Zimmermann: Der große musikalische Pluralist

Am Dienstag jährt sich der Geburtstag des Komponisten Bernd Alois Zimmermann zum 100. Mal.

Bernd Alois Zimmermann: Der große musikalische Pluralist
Foto: Schott Music/Hannes Kilian

Er war ein Vermittler zwischen den Musikwelten seiner Zeit, der deutsche Komponist Bernd Alois Zimmermann (1918-1970), der am 20. März vor 100 Jahren geboren wurde und sich im Alter von 52 Jahren das Leben nahm. Er gehörte gleichzeitig zur Avantgarde des 20. Jahrhunderts und zu den Befürwortern der musikalischen Tradition. Aus der Zusammenführung von Altem und Neuen erwuchs ein ganz eigener Stil, der später Schule machen sollte.

Zimmermann wuchs in der Eifel in katholischem Milieu auf und wollte zunächst Theologie studieren. Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs entschied er sich dann aber für ein Studium der Schulmusik, Musikwissenschaft und Komposition an der Kölner Musikhochschule. 1940 erfolgte die Einberufung zur Wehrmacht, aus der er bereits 1942 wegen einer schweren Hautkrankheit wieder entlassen wurde. Er nahm das Studium wieder auf, dessen Abschluss sich durch Krieg und Nachkriegswirren bis 1947 verzögerte.

Der Komponist gehörte einer Generation an, die im Nationalsozialismus aufwuchs. In der Zeit, in der Zimmermann begann sich intensiv mit Musik zu beschäftigen, war er von der eigentlichen Moderne des frühen 20. Jahrhunderts abgeschnitten, da im Dritten Reich die während der Weimarer Republik aufgeblühte Avantgarde nahezu komplett unterdrückte. Erst nach Kriegsende kam er mit der Neuen Musik in Kontakt, insbesondere bei den Darmstädter Ferienkursen.

Die jüngere Generation um Karlheinz Stockhausen und Pierre Boulez lehnte eine Anknüpfung an der Tradition generell ab und bezeichnete das Jahr 1945 als „Stunde null“. Nicht so Zimmermann: Er entwickelte sich zu einem großen musikalischen Pluralisten. Er verwob verschiedenste Musik-Ebenen miteinander, schuf gelegentlich Klang-Collagen aus Zitaten und selbst komponierten Elementen. In seiner einzigen Oper „Die Soldaten“ (1965) nach dem Drama von Jakob Lenz (1751-1792) wendet er die Collage-Technik an und lässt beispielsweise auf der Bühne eine Jazz-Combo auftreten.

Das Orchesterwerk „Photoptosis“ (1968) — angeregt von einem Monochrom-Gemälde Yves Kleins — integriert in die eigene Komposition eine ganze Reihe von Musikstücken verschiedener Epochen, darunter Beethovens „Neunte“, Wagners „Parsifal“, Bachs Brandenburgische Konzerte und Tschaikowskys „Tanz der Zuckerfee“. Hintergrund dieser Collage-Technik ist Zimmermanns Interesse für das Phänomen Zeit, die nach Zimmermanns Auffassung eine „Kugelgestalt“ besitzt.

Zimmermann wörtlich: „Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind, wie wir wissen, lediglich an ihrer Erscheinung als kosmische Zeit an den Vorgang der Sukzession gebunden. In unserer geistigen Wirklichkeit existiert diese Sukzession jedoch nicht, was eine realere Wirklichkeit besitzt als die uns wohlvertraute Uhr, die ja im Grunde nichts anderes anzeigt, als dass es keine Gegenwart im strengeren Sinne gibt. Die Zeit biegt sich zu einer Kugelgestalt zusammen.“ Aus dieser Vorstellung heraus habe er seine pluralistische Kompositionstechnik entwickelt.

Das letzte Werk des Komponisten, der zuletzt immer stärker an Depressionen litt, ist eine sogenannte „Ekklesiastische Aktion“ mit dem langen Titel „Ich wandte mich und sah an alles Unrecht, das geschah unter der Sonne“. Hier spielt der Text eine große Rolle, wodurch das Stück wie ein Hörspiel mit Musik wirkt. Zu den Textgrundlagen gehört Dostojewskis „Großinquisitor“. Fremde Musik integriert Zimmermann hier nur ein einziges Mal, und zwar am Schluss. Da erklingt der Bach-Choral „Es ist genug“. Wenig später setzte Zimmermann seinem Leben ein Ende.

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