Museum Küppersmühle Ausstellung „Kunst & Kohle“: Jannis Kounellis und das Ende der Kohle

In der Ausstellung „Kunst & Kohle“ präsentiert die Küppersmühle in Duisburg Tränen aus Kohle und einen Ofen, der in Flammen aufgeht.

Museum Küppersmühle: Ausstellung „Kunst & Kohle“: Jannis Kounellis und das Ende der Kohle
Foto: Henning Krause/Galerie Karsten Greve

Duisburg. Die Ära der Kohle findet in diesem Jahr ihr offizielles Ende. Eine Kommission soll den Strukturwandel auf den Weg bringen. Ihre Aufgabe gleicht allerdings der Quadratur des Kreises, geht es doch sowohl um den Klimaschutz als auch um 20 000 Arbeitsplätze zwischen Ruhr und Lausitz. Davon will natürlich kein Museumsmensch etwas wissen. So begleitet Walter Smerling als künstlerischer Leiter des Museums Küppersmühle den Abgang von Kohle und Stahl mit den romantischen Worten, jedem Ende wohne ein Anfang inne. Wörtlich: „Der Rohstoff Kohle geht, und nahtlos übernehmen Kunst und Kultur eine führende Rolle.“ Die Worte begleiten die „Hommage an Jannis Kounellis“, der im Vorjahr im Alter von 81 Jahren gestorben ist.

Smerling und sein Mitkurator Ferdinand Ullrich hatten zwei Probleme. Einerseits mussten sie sich ins Projekt „Kunst & Kohle“ im Ruhrgebiet einordnen. Andererseits ist der Nachlass des gebürtigen Griechen und Wahlrömers Kounellis noch ungeklärt. Man einigte sich daher auf Arbeiten, denen der Pionier der Arte Povera zu Lebzeiten zugestimmt hat. Und das sind nun mal Arbeiten, die von Kohle und Stahl handeln. „Eisen und Kohle stellen für mich die Materialien dar, die am besten die Welt der industriellen Revolution und damit die Ursprünge der heutigen Kultur widerspiegeln“, zitiert Smerling den Künstler.

Zu sehen sind mit Steinkohle gefüllte Säcke, auf denen ein Stahlträger liegt, und die berühmte Stahlblume aus dem Stedelijk-Museum in Amsterdam. Es gibt an Haken und Metallplatten hängende Materialien wie Filz, Leinen, Jute und Papier aus der Sammlung Weishaupt, Metall mit Ölfarbe aus der Sammlung Viehof sowie Kohlesäcke mit Stahlschiene aus der Sammlung des Künstlers Bernar Venet, der sein Atelier beisteuert.

Bernar Venet: Installationsansicht im Museum Küppersmühle. Foto: Henning Krause

Hierzulande weniger bekannt sind die großen, weißen Papiere, auf denen mit Eisen und Kohle Kreuze zu sehen sind, wie ein Memorial an den verstorbenen Künstler. Geradezu den Atem verschlagen die 13 Lazarettbetten mit den Militärdecken, in denen Stahl-Körper stecken. Hier scheint sich Kounellis an den Zweiten Weltkrieg zu erinnern. Sobald er eine Museumsausstellung aufbaute, schlief er auf einer Pritsche. Dazu kam es in der Küppersmühle nicht mehr. Im Februar 2017 starb er in seiner Wahlheimat Rom.

Kounellis war jedoch nicht nur der Mann von Kohle und Stahl. All seine lyrischen Töne fallen in Duisburg unter den Tisch. Keine Theaterinszenierung etwa zu Beuys oder Antigone wird erwähnt; seine eher zarten Zeichnungen bleiben weitgehend ausgespart. Auch Filmsequenzen zu seinen performativen Handlungen gibt es kaum. So fällt die erzählerische und theatralische Note weg. Eine kapitale Schau ist es dennoch, denn seine Freunde aus der jüngeren Generation sorgen für ein breitgefächertes Bild, wobei sogar eine gehörige Portion Humor ins Spiel kommt.

Vor allem Timm Ulrichs hält nicht viel von der Trauerarbeit. Er zeigt seine Fotoserie von 1975, als er sich einen Kohlesack auf den Rücken schnallte und damit an der Wand entlang schrammte. Der Künstler als Kohleträger, der Dreck als Spuren auf der weißen Wand. „Von Kohle gezeichnet“ sind bislang auch noch die Bergleute, denen ihre Tätigkeit ins Gesicht geschrieben steht. Am 28. Oktober wird Ulrichs aus Briketts einen Ofen bauen und zur Finissage vor den Toren der Küppersmühle abfackeln.

Michael Sailstorfer, der mit seinem Witz dem Kollegen Ulrichs nahesteht, hat eine “Tränenpresse“ aufgebaut. Es ist eine vom Künstler selbst entworfene Maschine, die Kohlestücke in Form von Tränen ausspuckt. Verheizt man sie, steigt Rauch auf.

So ironisch und prosaisch sind andere Kollegen nicht. Anselm Kiefer, stets auf Symbole und Mythen erpicht, arrangiert „Klingsors Garten“. Klingsor, der Zauberer, spielt im Parsifal des Wolfram von Eschenbach eine Rolle, bevor er in der deutschen Romantik auftaucht. Nun sind es Kohlestücke im schwarzen Kreis sowie langstielige, staksige, mit Farbe beschmierte Sonnenblumen, die einen steinernen Torbogen umkreisen. Ein Garten der Trauer möglicherweise. Sehr schön eine Fotografie auf Blei, in der sich ein Mann einem Kreuz in weiter Ferne nähert. Ein stiller Abgesang auf den Freund.

Sehr praktisch gibt sich Bernar Venet. Er war seit den 1970er Jahren nicht nur ein Freund von Kounellis, sondern auch sein Sammler. Sein eigenes Atelier könnte auch das seines Freundes sein. Etwas sparsam wirkt lediglich Ayse Erkmens Arbeit aus Elektrodenkohle, Leuchtstoffröhren und Heizstrahler, in denen es um Prometheus und das Feuer geht. Ein Werk aus Licht und Hitze für eine Wand.

In der Auswahl der Freunde befindet sich kein ehemaliger Student, obwohl Kounellis von 1993 bis 2002 an der Kunstakademie Düsseldorf lehrte. Zu seinen Schülern gehören Christiane Löhr, die bei Tony Cragg im Wuppertaler Skulpturenpark ausstellt, oder Felix Schramm, der Räume dekonstruiert. Man wollte „Künstler auf Augenhöhe“ haben, heißt es in der Küppersmühle. Darunter versteht man Kreative, die schon in der Sammlung vorhanden sind.

Eine Anmerkung zuletzt: Wiedereröffnet sind derzeit lediglich die Räume der Sonderausstellung. Alle Säle im Alt- und im Erweiterungsbau sollen erst Ende 2019 eröffnet werden.

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