Anne-Sophie Mutter: „Ich muss nicht immer üben“

Die Violinistin Anne-Sophie Mutter über Personenkult in der Musik, den Sinn schulterfreier Kleider und geigenfreie Zeit.

Frau Mutter, hassen Sie Ihre Geige manchmal?

Mutter: Wie bitte? (lacht) Nein. Es gibt ja immer wieder nicht gelungene Momente bei Solisten oder auch bei Kollegen im Orchester. Aber das Instrument ist nie schuld. Bei einem Ferrari fallen vielleicht mal Zündkerzen aus, aber eine Stradivari ist immer perfekt. Man muss sich immer wieder auf einen neuen Dialog einlassen und die mentale Kraft besitzen, ein Werk immer wieder neu zu gestalten. Ich habe die ideale Geige gefunden. Die Frustration liegt dann in mir selbst und nicht in dem Instrument.

Mutter: Nein. Ich dachte, das ist doch kein gutes Vorbild für meine Kinder. Vielleicht später wieder.

Mutter: Dahinter steckt kein Plan. Die Aufnahme ist das Ergebnis eines organischen Entwicklungsprozesses. Auch bei Brahms ist es ein Reifeprozess, der sich über Jahrzehnte hinweg gezogen hat und bei dem jetzt Erntezeit ist. Was Aufnahmen angeht, bin ich spontan. Wir planen maximal zwölf Monate im Voraus.

Mutter: Es begann mit den großen Maestri. Der Personenkult etwa um Maria Callas ist ein weiteres Beispiel. Die Musik lebt weiter durch starke Persönlichkeiten, die ihr so viel von sich geben. Man möchte hinter einer Partie wie der Norma auch Frau Callas besser kennen und verstehen lernen. Das fand ich in der Vergangenheit der Musik gar nicht abträglich. Inzwischen genügt aber sehr oft die polierte Oberfläche und das schöne Kleid. Eine absolut fatale Entwicklung, die den glatten schönen Klang hofiert, der Vermarktung sehr viel Gewicht schenkt und nicht unbedingt den Inhalt immer so ernst nimmt.

Mutter: Ich habe drei Monate nicht konzertiert, aber in dieser Zeit diese Brahms-CD und -DVD aufgenommen. Mich beschäftigen viele Dinge, für die ich sonst keine Zeit habe, und es war eine sehr befruchtende Phae. Allerdings auch eine Phase, in der ich meine sehr vollen Terminkalender der nächsten Jahre noch einmal neu revidierte in Richtung weniger Konzerte. Ich habe gemerkt: Manchmal ist es ganz schön, eine Woche nichts Aufregendes meistern zu wollen.

Mutter: Oh doch. In den drei Monaten habe ich große Zeitblöcke nicht gespielt, ein mental eminent wichtiger Prozess. Im übrigen sind Ruhephasen fester Bestandteil meiner Planung. Ich bin kein Musiker, der durch Wiederholung lernt, ich übe auch im Kopf. Ich bin jetzt niemand, der zwölf Stunden am Tag üben muss, um sich wohlzufühlen.

Mutter: Ja, und dieser ist natürlich der Wichtigste. Wenn man sich an dieses symbiotische Einssein mit dem Instrument nicht nur auf einer geistigen Ebene, sondern auch auf einer physischen eingelassen hat, ist es erst möglich, um in den Zustand eines Flows während des Konzertabends zu kommen.

Mutter: Nicht nur über Mozart. Ich glaube, Frauenfragen und aktuelle Probleme der katholischen Kirche würden mich mehr beschäftigen. Mozart kam mir in den Sinn, da der Papst Mozart liebt. Aber ich habe nie um eine Audienz gebeten.

Mutter: Es gibt viele Möglichkeiten, glücklich zu werden. Und ich hoffe, dass meine Kinder ihre Berufung finden werden. Was wir wissen, ist, dass diese nicht in der Musik liegt. Das ist ein Anfang: Auch im Ausschluss von Wegen findet man seine Berufung. Bei mir war es umgekehrt: Ich wusste von klein auf, was ich will. Das zeigt auch eine gewisse Begrenztheit meiner Begabungen. Meine Kinder schöpfen aus einem sehr großen Feld von Begabungen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Unwiderstehliche Grusel-Revue
Acht Schauspiel-Talente begeistern im Düsseldorfer Doppelstück „Das Sparschwein/Die Kontrakte des Kaufmanns“ Unwiderstehliche Grusel-Revue
Zum Thema
Aus dem Ressort