SAP setzt trotz Oracle-Debakel Charmeoffensive fort

Walldorf (dpa) - Die bittere Niederlage in der Datenklau-Affäre gegen den Erzrivalen Oracle hat bei SAP tiefe Spuren hinterlassen. Milliarden müssen gezahlt werden, das Image des einstigen Vorzeigeunternehmens hat arg gelitten.

Die Charmeoffensive mit seiner Doppelspitze setzt der Softwarekonzern trotzdem fort. Jim Hagemann Snabe und Bill McDermott buhlen um das Vertrauen der Kunden und der SAP-Mitarbeiter. Daran war schon Vorgänger Léo Apotheker gescheitert. 2011 wird für die beiden Manager die Nagelprobe an der Spitze des DAX-Konzerns.

Beim Kampf gegen den US-Konzern Oracle steckt die dänisch- amerikanische Doppelspitze nämlich in einer Zwickmühle. Mit aller Macht will die Softwareschmiede den Makel der Datenklau-Affäre auslöschen und die von Oracle-Chef Larry Ellison angezettelte Schlammschlacht beenden. Sich dem Erzrivalen aber einfach zu ergeben, passt so gar nicht zu den Walldorfern, die trotz der aggressiven Einkaufspolitik von Oracle weiter als Weltmarktführer für Unternehmenssoftware gelten.

Bevor SAP die Strafe von 1,3 Milliarden US-Dollar (knapp eine Milliarde Euro) plus Zinsen in Millionenhöhe wegen Urheberrechtsverletzung überweist, muss das Urteil rechtskräftig sein. Das wird für Anfang 2011 erwartet. Etwa 30 Tage Zeit bleibt dann der Führungsspitze zusammen mit dem mächtigen Aufsichtsratschef Hasso Plattner, um Rechtsmittel einzulegen.

Sollte das der Fall sein, müssen die Walldorfer aber mit einem erneuten öffentlichkeitswirksamen Return von Ellison rechnen. Falls nicht, sind kräftige Bremsspuren in der Bilanz 2011 zu erwarten.

Europas führender Softwarekonzern hat zwar nach dem Ende der Krise Quartal für Quartal wieder Boden gutgemacht und Umsatz sowie Ergebnis deutlich gesteigert. Von den wieder anlaufenden Investitionen der Unternehmen in IT und Software hat zuletzt aber auch Oracle kräftig profitiert. Kurz vor Jahresschluss präsentierte der US-Konzern einen Gewinnsprung um 28 Prozent, die Erlöse kletterten sogar um 47 Prozent.

Ungemach könnte den Walldorfern auch vom Kapitalmarkt drohen. Wegen der Datenklau-Affäre der ehemaligen US-Tochterfirma TomorrowNow sackte der Aktienkurs des DAX-Konzerns teilweise heftig ab. Spekulationen über eine Übernahme machten die Runde. Der SAP- Mitgründer und Mithauptanteilseigner Klaus Tschira brachte als mögliche Käufer Microsoft und IBM ins Spiel. Kurz vor dem Jahresende wurde das reiche Golfemirat Katar als denkbarer Investor gehandelt.

Neben Tschira sind Aufsichtsratschef Plattner und der langjährige Vorstandsvorsitzende Dietmar Hopp weitere Hauptanteilseigner des Softwarekonzerns. Während Plattner spätestens seit dem überraschenden Abgang von Vorstandschef Apotheker Anfang des Jahres wieder als der starke Mann auf der SAP-Kommandobrücke gilt, ist von „Vadder“ Hopp öffentlich so gut wie kein Wort mehr über seine alte Liebe SAP zu hören.

Umso mehr redet dafür die aktuelle Doppelspitze: Eine mobile Plattform für standardisierte Unternehmensdienstleistungen soll kommen. Außerdem wird die Mittelstandssoftware Business By Design neu beworben. Ob neue Produkte und Software-Lösungen für das Vertrauen der Kunden reichen, werden die nächsten Monate zeigen.

Die Belegschaft des Softwareriesen zeigt sich derweil offen für die Charmeoffensive von Snabe und McDermott: Nachdem eine Mitarbeiterbefragung in der Apotheker-Ära einen starken Vertrauensverlust in den Vorstand zutage gebracht hatte, gingen die Werte im letzten „Pulse Check“ wieder deutlich nach oben.

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