Mobilfunk-Flatrates droht das Ende

Unbegrenztes Surfen im mobilen Internet könne bald der Vergangenheit angehören. Die Netzbetreiber drosseln schon jetzt je nach Tarif die Geschwindigkeiten ab einem bestimmten Volumen. Künftig müssen Verbraucher noch genauer ins Kleingedruckte schauen.

Berlin/Düsseldorf. Dem unbegrenzten mobilen Internetvergnügen droht das Aus. In Netzbetreiberkreisen wird derzeit darüber nachgedacht, Tarifmodelle weg von Flatrate-Modellen mit unbegrenzten Datenvolumen zu entwickeln. Weltweit machen sich die Unternehmen Gedanken darüber, wie sie ihre Kunden künftig stärker zur Kasse bitten können. Für die Nutzer bedeutet dies, dass der Tarif-Dschungel in Zukunft wohl noch dichter werden wird.

Die Verbraucher kennen das von DSL-Angeboten. Bevor „Flat“ modern wurde, bezahlten Kunden entweder für unterschiedlich hohe Übertragungsraten oder hatten von vornherein einen bestimmten Deckel für das Datenvolumen. Auch heute noch gibt es andere Preise für schnellere Festnetzleitungen wie VDSL. Jetzt stellen die Netzbetreiber fest, dass ihnen differenzierte Tarife auch im Mobilfunk mehr Geld bringen könnten. Sie brauchen Geld, um ihre Netze für die wachsende Zahl von Smartphone-Anwendungen und mobile Datennutzung zu rüsten.

„Derzeit verursachen 3 Prozent der User 50 Prozent des Datenvolumens“, heißt es bei der Telekom. Online-Dienste wie iTunes von Apple oder Plattformen wie YouTube oder Flickr, auf denen Filme und Fotos gepostet werden, befeuern das Wachstum. Die immer neuen und aufwendigeren Anwendungen verstopfen die Datenleitungen. Zum Beispiel: Schon ein einziges YouTube-Video entspricht der Datenmenge von 500 000 SMS. In den USA, wo Smartphones schon Massenware sind, brechen regelmäßig die Netze zusammen.

„Im Moment gibt es im Mobilfunk keine Differenzierung der Tarife nach Geschwindigkeit oder Technologien wie zum Beispiel bei Festnetz- Breitbandanschlüssen zwischen einfachem DSL, VDSL und Glasfaser“, erklärt Bitkom-Experte Manfred Breul. Sogenannte „Power-Sauger“ werden aber je nach Tarif mit Drosselungen in der Geschwindigkeit ab einem bestimmten Volumen gebremst. „Dabei geht es auch um das Wohl der anderen Kunden. Denn in einer Mobilfunkzelle gibt es nun einmal nur eine bestimmte Netzkapazität.“

„Es ist absolut marktgerecht, dass man von einem Kunden für eine höhere Bandbreite einen höheren Preis verlangt“, findet Christian Illek, Marketingchef der Deutschen Telekom. „Was wir mit dem Aufbrechen der Netzneutralität nicht erreichen sollten, ist, dass wir normale Standardkunden schlechter behandeln.“ Höhere Preise für Premium-Angebote findet Illek hingegen in Ordnung.

Wie das aussehen könnte, macht der Mobilfunkanbieter Vodafone auf der IFA (bis 8. September) vor. Für Breitbandverbindungen über den neuen Mobilfunkstandard LTE (Long Term Evolution) sollen Kunden zwischen von 40 und 70 Euro zahlen - je nach dem wie schnell die Leitung ist. LTE soll künftig in Regionen, wo es noch kein DSL gibt, als regulärer Breitbandanschluss verkauft werden. Erste Verbindungen planen die Netzbetreiber in wenigen Gebieten bis Ende des Jahres.

Der Online-Riese Google und der amerikanische Telekom-Konzern Verizon wollen sogar noch weiter gehen. Erst vor kurzem schlugen sie in einer gemeinsamen Erklärung vor, dass Netzbetreiber den Verkehr in ihren Netzen je nach Anwendung mit verschiedenen Prioritäten behandeln sollen. Die künftigen intelligenten Netze machen es möglich, dass zum Beispiel Videos schneller durchgeleitet werden als E-Mails.

„Im Mobilfunk kommt der Frage des sinnvollen Verkehrsmanagement eine besondere Bedeutung zu, da die nutzbaren Frequenzen limitiert sind“, betont Bitkom-Experte Breul. „Das heißt nicht, dass einzelne Inhalte gesperrt werden sollen.“ Bestimmte Anwendungen müssten mit einer höheren Priorität behandelt werden. Sonst müssten die Netzbetreiber gigantische Überkapazitäten aufbauen. „Das wäre so, als würden von vorne herein alle Autobahnen in Deutschland auf einen gleichzeitigen Start der Sommerferien in allen Bundesländern ausgelegt.“

Den Vorwurf, die Meinungsfreiheit einzuschränken und das Internet kontrollieren zu wollen, weisen die Netzbetreiber hingegen von sich. „Wir sind als Netzbetreiber nicht dazu da, die Vielfalt des Internets einzuschränken“, sagt Vodafone-Chef Fritz Joussen. „Das halte ich für einen Irrweg.“

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