Feature: Facebook-Managerin Sandberg rät Frauen: Hängt euch rein

Berlin (dpa) - Man muss sich die Situation bildlich vorstellen. Da kommt Sheryl Sandberg ins Büro ihres damaligen Chefs bei Google, Firmen-Mitgründer Sergey Brin.

Sandberg ist aufgewühlt. Sie ist schwanger - und bei Google gibt es keine Frauenparkplätze. Sie musste beschwerlich über den großen Firmenparkplatz bis zum Eingang watscheln. Das müsse sich ändern, verlangt Sandberg. Brin macht grade Yoga. Doch auch er ist der Meinung: Frauenparkplätze müssen her. Sandberg hat ihr Ziel erreicht.

Diese Anekdote erzählt Sheryl Sandberg gleich zu Beginn ihres Buchs „Lean In“. Die Aufforderung bedeutet in etwa „Hängt euch rein“. Am 30. März erscheint das Werk auf Deutsch, der Untertitel lautet „Frauen und der Wille zum Erfolg“.

Darin geht es um den Aufstieg, oder besser gesagt: den mangelnden Aufstieg von Frauen in der Arbeitswelt. Denn in den Chefetagen auch deutscher Unternehmen sind Frauen immer noch unterrepräsentiert. Nur knapp zehn Prozent der Mitglieder in den Aufsichtsräten großer deutscher Unternehmen sind Frauen, zeigt eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.

Warum ist das so, wo doch Frauen bei Universitätsabschlüssen mit Männern gleichziehen und auch politische Ämter erobern? Sandberg meint, dass Frauen ihre Karrieren selbst ausbremsen.

Schon kleinen Mädchen werde eingeschärft, nicht zu aggressiv aufzutreten. Später werde eine erfolgreiche Frau eher als kalt angesehen, während Männer als führungsstark gelten. Dieses sozial erwartete Verhalten halte Frauen zurück. „Wir schrauben unsere eigenen Erwartungen an uns zurück“, schreibt Sandberg.

Frauen meldeten sich nicht häufig genug zu Wort, sie verhandelten nicht hart genug um Gehaltserhöhungen. Vor allem aber nähmen Frauen den Fuß zu früh vom Gas. Sie steckten zurück mit dem Gedanken an eine Familie und Kinder, wenn es diese noch gar nicht gebe. „Unsere Revolution ist steckengeblieben“, sagte Sandberg dem US-Fernsehsender CBS. Sie will die Revolution wieder in Gang bringen. Diskussionen sind programmiert.

Dazu muss man erst einmal wissen, dass Sheryl Sandberg in vieler Hinsicht außergewöhnlich ist. Sie steht seit 2008 an zweiter Stelle bei Facebook, führt direkt hinter Gründer Mark Zuckerberg das operative Geschäft des Online-Netzwerks mit mehr als einer Milliarde Mitgliedern.

Vorher arbeitete sie bei Google, verantwortete dort die weltweiten Onlineverkäufe. Während ihrer sechseinhalb Jahre dort stieg Google vom Start-up in Silicon Valley zum börsennotierten Internetgiganten auf. Die Börsengänge von Google und Facebook bescherten Sandberg Millionen.

Zu ihren Mentoren zählt sie Larry Summers, den ehemaligen Finanzminister der USA. Summers war Sandbergs Professor an der Elite-Universität Harvard, er erkannte ihr Talent und holte sie nach dem Studium erst mit zur Weltbank, dann als Stabschefin ins Finanzministerium.

Da war sie noch keine 30 Jahre alt. Jetzt, mit 43, will sie andere Frauen ermuntern, ihrem Beispiel zu folgen. Wenn mehr Frauen in die Führungsetagen vordringen, verbessern sich die Bedingungen für alle, ist Sandberg überzeugt. Frauenparkplätze bei Google sind da erst der Anfang.

Eine Frauenquote lehnt sie für die USA dennoch ab, wie sie dem „Stern“ sagte. Denn Sandberg wendet sich in erster Linie an Frauen selbst. Sie ermutigt Frauen zu mehr Selbstbewusstsein und Risikobereitschaft. Sie sollen auf ihre Erfolge aufmerksam machen und „abrechnen wie die Männer“, also nicht aus Höflichkeit die eigene Arbeit unterbewerten. Dazu erzählt Sandberg viele Beispiele aus ihrem Leben.

Die haben nur einen Haken: Sandbergs Alltag unterscheidet sich deutlich von dem der meisten Menschen. Ihre Freundinnen steuern Unternehmen, ihre Dienstreisen erledigt sie im Privatjet, die Kinderbetreuung übernimmt ein Kindermädchen. Nicht nur die „New York Times“ fragte sich, wie Frauen aus anderen Verhältnissen auf Sandbergs Rat reagieren würden, dass sie sich nur ordentlich anstrengen müssten. „Ich weiß, dass es einfacher für mich ist, das auszusprechen“, erklärte Sandberg im Fernsehinterview. „Deswegen tue ich es ja.“

Ihre Aufforderung zum Gasgeben begründet sie auch damit, dass Frauen in Führungspositionen ihre Zeit freier einteilen und mehr Geld zur Verfügung hätten. Das mache es leichter, Familie und Beruf zu vereinbaren.

Andere Frauen kritisieren diesen Ansatz. Die Princeton-Professorin Anne-Marie Slaughter erklärte, Sandberg sei noch nie einem Problem begegnet, das sie nicht mit harter Arbeit habe lösen können. Das trübe den Blick für schwierige Entscheidungen anderer Frauen. Wirtschaftsforscher verweisen darauf, dass es schwer ist, eine Unternehmenskultur von unten zu ändern.

„Ich unterstütze sie, aber ich glaube nicht, dass das genug ist“, erklärte Slaughter jüngst auf einer Veranstaltung der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin. „Wir brauchen eine ganz neue Runde von Veränderungen“, etwa flexiblere Arbeitszeiten und die Abkehr von der Forderung nach ständiger Präsenz im Büro. Das werde nicht nur Frauen helfen, sondern auch Männern.

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