FBI stoppt Daten-Plattform Megaupload

New York/Wellington (dpa) - Die US-Behörden haben die große Datentausch-Plattform Megaupload vom Netz genommen. Sie werfen den Betreibern um den deutschen Hacker und Internet-Unternehmer Kim Dotcom vor, mehr als 175 Millionen Dollar an Raubkopien verdient zu haben.

Der früher als Kim Schmitz bekannte Gründer und mehrere Vertraute wurden in Neuseeland festgenommen. Dem Zugriff folgte ein Schlagabtausch im Internet: Netzaktivisten aus dem Umfeld der Anonymous-Bewegung legten Webseiten der US-Bundeskriminalpolizei FBI, des US-Justizministeriums und der Musikindustrie lahm. Ein Anwalt der Megaupload-Betreiber wies die Vorwürfe gegen Kim Schmitz zurück.

Die US-Behörden beschuldigen die Megaupload-Betreiber, mit Hilfe der Datentausch-Plattform massive Urheberrechtsverletzungen betrieben zu haben. Das FBI veranlasste nach der Anklage in den USA die Festnahme von drei Deutschen und eines Niederländers. In Coatesville nördlich von Auckland durchsuchten 70 Beamte das Anwesen der Megaupload-Betreiber.

Dort wurden laut Polizei Wertgegenstände und Geld im Wert von sechs Millionen neuseeländischen Dollar (etwa 3,7 Millionen Euro) sichergestellt. Darunter waren Luxuswagen samt Rolls-Royce Phantom sowie mehrere Gemälde. Zudem seien Finanzmittel von zehn Millionen neuseeländischen Dollar beschlagnahmt worden.

Gründer von Megaupload ist der aus Kiel stammende Kim Schmitz, der seinen Namen in Kim Dotcom geändert hat und „auch als Kim Tim Jim Vestor bekannt ist“, wie das US-Justizministerium aufzählte. Der 37-Jährige mit deutscher und finnischer Staatsbürgerschaft lebte demnach zuletzt in Hongkong und Neuseeland. Insgesamt wurden im US-Staat Virginia, wo Megaupload einen Server betrieb, sieben Verdächtige angeklagt. Deutsche Staatsbürger stellten das Top-Management der Plattform.

Bei Megaupload konnten Daten aller Art hochgeladen und anschließend auch von anderen Nutzern abgerufen werden. Nach den Vorwürfen der US-Behörden waren darunter auch in großem Stil illegal kopierte Musik, Filme, Fernsehprogramme und digitale Bücher. Der Anklage zufolge geschah dies mit Wissen der Betreiber, die sogar Raubkopierer noch zum Hochladen der Dateien ermutigt hätten. Auch die im vergangenen Jahr in Deutschland hochgenommene Plattform Kino.to soll demnach auf Dienste von Megaupload zurückgegriffen haben. Megaupload hatte nach eigenen Angaben mehr als 180 Millionen registrierte Nutzer.

Megaupload habe mehr als 175 Millionen Dollar illegalen Gewinn gemacht und den rechtmäßigen Eigentümern der Inhalte einen Schaden von deutlich über einer halben Milliarde Dollar zugefügt, erklärte das Justizministerium. Geldwäsche ist ein weiterer Vorwurf. Auf dem Gelände seien zwei Gewehre sichergestellt worden. Der zuständige Richter des Bezirks North Shore lehnte eine Freilassung der Festgenommenen gegen Kaution ab. Sie sollen am Montag erneut vor Gericht erscheinen. Es geht um eine Auslieferung in die USA.

Ein US-Anwalt der Megaupload-Betreiber sagte dem Online-Dienst „CNET“, die Vorwürfe seien falsch. „Wir denken nicht, dass Megaupload im Bezug auf Urheberrechte etwas falsch gemacht hat“, betonte Ira Rothken, der bereits in anderen Fällen gegen Vorwürfe von Urheberrechtsverletzungen verteidigt hatte. Die US-Regierung habe einen der größten Internetspeicher-Anbieter vom Netz genommen, ohne ihm die Gelegenheit zu einer Erwiderung vor Gericht gegeben.

Megaupload hatte in der Vergangenheit immer wieder Vorwürfe zurückgewiesen, das Angebot diene vor allem dem illegalen Austausch von geschützten Inhalten. Rechteinhaber hätten die Möglichkeit, mit einem Online-Formular Verstöße gegen das Urheberrecht zu melden und die fraglichen Dateien löschen zu lassen. Die Ermittler argumentieren jedoch, solche Aufforderungen seien systematisch missachtet worden.

Nach der Razzia überzogen Hacker die Webauftritte von FBI und US-Justizministerium mit sogenannten DDOS-Attacken. Dabei werden die Web-Server mit Unmengen von sinnlosen Datenanfragen überflutet und damit lahmgelegt. Die Webseiten waren mehrere Stunden nicht mehr erreichbar. Auf Twitter bezeichneten Anonymous-Aktivisten die Angriffe als Rache für den Schlag gegen Megaupload. Angegriffen wurden auch Seiten des amerikanischen Musikindustrie-Verbandes RIAA und des Musik-Marktführers Universal Music. Anonymous zufolge war es die bisher größte Attacke mit mindestens 5600 Teilnehmern.

Die Eskalation folgte nur einen Tag nach einer Protestkampagne von Netzaktivisten gegen eine Verschärfung des Urheberrechts in den USA. Die neuen Gesetze sollen unter anderem die Sperrung von Webseiten erlauben. Kritiker warnen, dass damit eine Zensur-Infrastruktur geschaffen werde, die auch in anderen Fällen zum Einsatz kommen könnte. Aus Protest war unter anderem das englischsprachige Online-Lexikon Wikipedia einen Tag lang nicht erreichbar.

Insofern ist der Zeitpunkt Razzia der US-Behörden interessant - denn jetzt schlugen FBI und Justizministerium auch auf Grundlage der heutigen Gesetze erfolgreich zu. Unklar ist, was mit den Daten gewöhnlicher Megaupload-Nutzer passiert, die dort ihre Dateien gelagert haben.

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