Roboterkriege und Weltrettung Europas Hacker debattieren in Hamburg

Hamburg (dpa) - Eine düstere Vision soll den Teilnehmern des größten Hackerkongresses in Europa Mut machen zum Gegensteuern: Der ehemalige US-Air-Force-Techniker Cian Westmoreland berichtet von seinen persönlichen Einblicken in die umstrittene Kriegführung der USA mit Drohnen.

„In den nächsten fünf Jahren werden wir autonome Killer-Roboter haben“, sagt der Whistleblower, vielleicht auch „kleine Bienen“, die todbringend umherschwirren.

Jetzt ist der ehemalige Techniker der Air Force zum Pazifisten geworden, trägt auf dem „Chaos Communications Congress“ ein T-Shirt der „Veterans for Peace“. Westmoreland lebt noch im US-Staat Colorado - „aber ich überlege, ob ich nicht auswandern sollte“, sagt er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Mit der zunehmenden Technisierung der Kriegführung schwinde das Bewusstsein für persönliche Verantwortung, kritisiert Westmoreland und verweist dabei auf die Philosophin Hannah Arendt. Er führt die Regisseurin Sonia Kennebeck auf die Bühne des Hamburger Kongresszentrums, die zusammen mit Wim Wenders und anderen mit Hilfe von Whistleblowern einen Dokumentarfilm über die Drohnen-Kriegführung gedreht hat: „National Bird“ wird auf der diesjährigen Berlinale gezeigt.

Der Kongress des Chaos Computer Clubs (CCC) steht unter dem Motto „Works for Me“, das von den Hackern kritisch hinterfragt wird: Wenn etwas für mich funktioniert, muss ich mich nicht mehr darum kümmern. „Wenn die Leute Missstände tolerieren, führt dies dazu, dass alle gegeneinander sind“, sagt CCC-Sprecher Linus Neumann. „Wenn wir nicht gemeinsam auf eine bessere Welt hinarbeiten wollen, wird es wieder zu großen Konflikten kommen.“ Hacker wollen mit eigenen Lösungen gegensteuern.

Das fängt an mit der Offenlegung von Sicherheitslücken, wie es Yannay Livneh aus Israel mit der Web-Programmiersprache PHP 7 getan hat. Bevor er den Hackern zeigt, wie sich das für möglichen Missbrauch ausnutzen lässt, hat er das PHP-Team über die Probleme informiert.

Und es reicht bis zu transhumanistischen Ideen, wie sie die Karlsruher Programmiererin Maya Posch vertritt: „Langfristig denke ich, dass die Menschheit irgendwann auf Körperlichkeit verzichten wird - selbst wenn es eine Million Jahre dauern sollte.“ Die Persönlichkeit bestehe in ihrem Kern doch aus Denken und Geist, so dass die physische Existenz nicht wirklich relevant sei, sagt sie im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Es sind ganz persönliche Erfahrungen, die Posch zur Vorstellung eines Hacks der menschlichen Existenz gebracht haben: „Als Hermaphrodit bin ich nicht gezwungen, ein Geschlecht zu wählen, da ich beide habe. Ich habe mich davon befreit, meine Identität mit Zuschreibungen eines Geschlechts zu bestimmen.“ Und in der Online-Identität verliere die Körperlichkeit ohnehin an Bedeutung.

Im CCC-Projekt „Chaos macht Schule“ gehen Computerexperten an die Schulen, um Kindern und Jugendlichen dazu anzuleiten, die vorgefundene digitale Welt zwischen Facebook und WhatsApp in Frage zu stellen. Es gehe darum, dass Dinge, die eigentlich mitgestaltet werden sollten, nicht einfach hinzunehmen, sagt die Hamburgerin Dorina. Nur wenn Kinder dies bereits in der Schule erfahren könnten, seien sie auch in der Lage, später als Bürger ihre Gestaltungsspielräume wahrzunehmen.

Dass dieses sehr unruhige Jahr 2016 auch an der Hackerszene nicht spurlos verübergeht, wird gleich zum Auftakt der Konferenz deutlich. „Dringender als je zuvor, ist es Zeit zu handeln“, sagt „Netzpolitik.org“-Bloggerin Anna Biselli. „Wir können uns nicht unter einer gemütlichen Decke verstecken und warten, bis die Welt von Zauberhand wieder besser wird.“

Aber wie könne der Einzelne etwas ändern? Die gute Nachricht der Hacker ist: „Du bist nicht alleine.“ 12 000 Gleichgesinnte seien auf dem Kongress, mit ihnen gelte es sich zu verbinden, zu vernetzen und aktiv zu werden. „Versucht, das nächste Jahr zu einem besseren zu machen als dieses!“

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