Analyse: Streit um Verschlüsselung und „Kolonialismus“ zur Mobilfunk-Show

Barcelona (dpa) - Der Smartphone-Boom hat die Mobilfunk-Branche auf die Gewinnerstraße gebracht - doch jetzt spitzen sich die Gegensätze rund um das Geschäft zu.

Das Absatz-Wachstum flacht ab, Facebook hat mit seinen Plänen für Gratis-Internetzugänge in Indien eine Debatte über „Internet-Kolonialismus“ losgetreten und Apple wehrt sich gegen Forderungen der US-Regierung nach Software-„Hintertüren“ für iPhones. Und der seit Jahren schwelende Streit zwischen Netzbetreibern und Internet-Diensten hat auch nichts an Schärfe verloren. Diese Konflikte setzten die Szene zum wichtigsten Treffen der Branche, dem Mobile World Congress in Barcelona (22. bis 25. Februar).

Im vergangenen Jahr wurden nach Schätzungen der Analysefirma IDC rund 1,43 Milliarden Smartphones verkauft - ein Plus von gut zehn Prozent. Samsung hält sich dabei beim Absatz klar an der Spitze, von den Südkoreanern kommt gut jedes Fünfte weltweit verkaufte Computer-Handy. Doch der Großteil der Gewinne der ganzen Branche landet bei Apple. Der iPhone-Konzern hat mit 16,7 Prozent zwar nicht den größten Marktanteil - verzichtet aber auf das Geschäft mit günstigen Smartphones, was die Marge hoch hält.

Die restlichen Plätze in der Top 5 besetzen die chinesischen Anbieter Huawei, Lenovo und Xiaomi, die von der Stärke im riesigen Heimatmarkt profitieren. Unterdessen sind mit der Ausbreitung der Smartphones in der Dritten Welt die durchschnittlichen Verkaufspreise unter Druck, was die Profite der Hersteller - bis auf Apple - schmälert.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg kommt schon zum dritten Mal nach Barcelona, um vor den Kapitänen der Telekom-Industrie für seine Initiative Internet.org zu werben, die Menschen in Entwicklungsländern günstige bis kostenlose Internet-Anschlüsse bringen soll. Doch diesmal dürfte er auf noch mehr Gegenwind als in den vergangenen Jahren treffen. Indien untersagte jüngst das Angebot „Free Basics“, bei dem Facebook und andere Dienste gratis verfügbar sein sollten, weil damit andere Angebote benachteiligt würden.

Bei allen Kontroversen geht es in Barcelona aber wie immer auch um viele neue Geräte. Samsung rückt wieder die neuen Flaggschiffe seiner Premium-Smartphones Galaxy S in den Mittelpunkt. Trotz großer Geheimhaltung werden viele Details der vermutlichen Ausstattung des Galaxy S7 und der „Edge“-Variante bereits seit Tagen im Netz zusammengetragen und diskutiert.

So gilt vielen als wahrscheinlich, dass das Edge mit einer Diagonale von 5,5 Zoll noch etwas größer ausfallen wird als das Vorgängermodell. Große Technologie-Sprünge sind aller Voraussicht nach nicht zu erwarten, dagegen wohl Verbesserungen in vielen Details, etwa bei der Kamera, beim Sound und der Akku-Laufzeit.

Auch seine Brille für virtuelle Realität, die Gear VR dürfte Samsung im Gepäck haben. Das Gerät lässt über das eingesteckte Galaxy-Smartphone den Nutzer in virtuelle Welten abtauchen. Anders als die Rift des Pioniers Oculus, die zuletzt auf der CES in Las Vegas wegen des hohen Preises von knapp 700 Euro bei den Fans die (Frust-)Wellen hat hochschlagen lassen, bietet Samsung die Gear VR für 99 Euro an. Die Branche erwartet, dass der Markt für solche Geräte und Anwendungen in diesem Jahr im Massenmarkt durchstarten wird und erhofft sich kräftige Umsätze.

Welche Nutzungsszenarien den Markt tatsächlich beflügeln werden, bleibt noch abzuwarten - und dürfte nicht unwesentlich davon abhängen, welche Art Inhalte zunächst verfügbar sein werden. Bereits im vergangenen Jahr war virtuelle Realität einer der Schwerpunkte der Messe. Auch 2016 ist zum Beispiel wieder der taiwanesische Elektronikkonzern HTC in Barcelona mit dabei und wird die neuste Version seiner eigenständigen Brille Vive Pro präsentieren. Auch an vielen anderen Messeständen wird man sich von dem Stand der Technik - und der erreichten Bildqualität überzeugen können. Einen Blick in die Zukunft will etwa der Berufsverband der Ingenieure IEEE den Besuchern bieten - und entführt Interessierte zu einem virtuellen Ausflug auf den Mars.

Das Smartphone wird zunehmend zum Mittelpunkt in einem ganz neuen Kosmos. Auch in Barcelona steht die Vernetzung von Unterhaltungs- und Hausgeräten aller Art im Vordergrund. Auf das Internet der Dinge setzt etwa der japanische Elektronikkonzern Panasonic. Auch zahlreiche tragbare Computergeräte, sogenannte Wearables - vom Fitness-Tracker über die Smartwatch bis zu intelligenter Kleidung werden viele Anbieter wie LG, Sony oder Huawei mitbringen. Nach Schätzungen der Markforscher von Gartner dürfte der Markt der Wearables, die mit dem Smartphone kommunizieren, in diesem Jahr um 18,4 Prozent wachsen und einen Umsatz von 28,7 Milliarden Dollar generieren. Allein Smartwatches sollen demnach einen Anteil von 11,5 Milliarden Dollar dazu beisteuern.

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