cf/Obst

Von Chrismie Fehrmann

Derzeit werden Messen anders als üblich gefeiert. In der Corona-Pandemie gelten Anmeldung, Mundschutz und Abstandsregelungen auch für den Gottesdienst-Besuch. „Was macht das mit den Menschen?“, fragt Regionalvikar Thorsten Obst nicht ohne Sorgen. „Es ist ein hoch empfindliches Thema, über das wir noch viel reden werden und müssen; besonnen und empathisch.” Die WZ sprach mit ihm.

Wie empfinden Sie die an die Krise angepassten Gottesdienste?

Obst: Zuerst einmal: Ich habe keine Antihaltung zu den Gottesdiensten, wie sie jetzt stattfinden. Das zu erwähnen, ist mir sehr wichtig. In meiner Pfarrei, der Heiligsten Dreifaltigkeit, finden durchaus Eucharistiefeiern mit dem Pfarrvikar statt.

Die meisten Menschen besuchen sie gerne.

Obst: Ich habe Verständnis für alle Gläubigen, die nach so langer Zeit kommen. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die verstört und irritiert sind, über das, was in unseren Gottesdiensten derzeit passiert.

Sie selbst zelebrieren keine Eucharistiefeier. Sind auch Sie irritiert?

Obst: Ich feiere Wortgottesdienste. Die Frage ist doch: Was macht die Pandemie-Welle mit Kirche und Gesellschaft? Die Liturgie am Wochenende bedeutet, zu sich kommen und mit Gott in Kontakt treten. Ihr sensibler und empfindlicher Ablauf hat jedoch neue Regeln durch die Auflagen in der Corona-Pandemie.

Was macht das Ihrer Ansicht nach mit der Eucharistie und den Menschen?

Obst: Wir müssen Mundschutz tragen, Abstand halten und es geht noch weiter. Beispiel: Das Lektionar, das liturgische Buch, aus dem die biblischen Lesungen vorgetragen werden, wird üblicherweise vom Lektor, Messdiener, Diakon und Priester getragen. Jetzt muss koordiniert werden oder es werden die notwendigen Seiten aus dem Buch auf Papier ausgedruckt. Hier fängt es an und geht weiter zu der Frage, wie wir den Leib Christi virenfrei an den Menschen bringen, der danach verlangt. Der intime Moment der Messe wird so verändert. Es ist ein tiefer Eingriff.

Welche Folgen befürchten Sie?

Obst: Ich frage mich, was sich aus dieser Vorgehensweise entwickelt, wie wir daraus hervorgehen, wie wir darüber denken, was heilig ist. Hoffentlich gehen wir ohne Streit, tolerant und glimpflich damit um. Nach dieser Corona-Krise werden die Psychotherapeuten viel zu tun bekommen, mit Menschen, die unter Depressionen leiden. Das Ändern der liturgischen Regeln macht auch etwas mit uns. Man muss um Toleranz werben, die eigene Position nicht über alles stellen und vor allem nicht in den Wettbewerb treten um die schönste Corona-Messe.

Warten Sie deshalb selber noch mit dem Feiern der Eucharistie ab?

Obst: Ja, ich muss überlegen, wie ich es angehe, langsam und überdacht. Vor der Corona-Pandemie hat der synodale Prozess „Heute bei Dir“ bereits begonnen. Hier lautet die Frage: „Wie sieht die Kirche aus und wie die Gemeinden mit weniger Priestern?“ Die Sonntagsmesse, wie wir sie gewohnt sind, wird nicht immer stattfinden können, weil es nicht genug Priester gibt. Die Strukturen werden sich verändern.

Wohin wird das führen - auch nach der Pandemie?

Obst: Kirche kann mehr sein. Gott ist nicht weniger im Wortgottesdienst bei den Menschen, als in der Eucharistiefeier. Die Liebe zu Gott ist immer da und zu 100 Prozent. Den Palmzweig vor Ostern kann jeder selbst für sich segnen. Das geht. Auch Taufen, Hochzeitsfeiern und Beerdigungen oder Kleinkindergottesdienste finden ohne Eucharistie statt. Da kommt keiner auf die Idee, Gott ist nicht da. Zwar ist die Intimität bei ihr größer, aber was ist, wenn der Sonntagsgottesdienst entfällt? Man darf hier nicht mit Wertigkeiten arbeiten. Jetzt, in der Pandemie, befinden wir uns noch in einer Schockstarre. Aber wir müssen danach besonnen und empathisch vorgehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort