Autotest Erste Fahrt im ET5: Hat der neue Nio das Zeug zum Topseller?

Berlin · Nio gilt als der aussichtsreichste Newcomer aus China. Doch seine Oberklassemodelle ET7 und EL7 hat der Autobauer bislang nur in geringen Stückzahlen auf die Straße gebracht. Welche Aussichten hat der kleinere ET5?

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Nio will es wissen: Noch nicht einmal ein halbes Jahr auf dem Markt, schickt der chinesische Newcomer schon sein drittes Elektroauto in den Handel und zielt damit erstmals auf einen Massenmarkt.

Wenn der ET5 jetzt zu Preisen ab 59.500 Euro nach Europa kommt, dann soll er es vor allem mit Volumenmodellen wie den Audi A4, den 3er BMW und der Mercedes C-Klasse aufnehmen. Hierbei könnten sich die Chinesen sogar einen wichtigen Vorsprung verschaffen. Denn mit ihrer Elektrooffensive sind sie in dieser Klasse deutlich früher dran als die Konkurrenten.

Knapperes Format, stärkerer Antrieb

Um Kosten und Zeit zu sparen, greift Nio auf den Baukasten von EL7 und ET7 zurück. Jedoch ist der Neuling mit 4,70 Metern Länge und 2,2 Tonnen Leergewicht deutlich kleiner und leichter. In Kombination mit den 369 kW/490 PS und bis zu 700 Nm ist die Performance umso beeindruckender.

Tempo 100 erreicht der ET5 in 4,0 Sekunden. Selbst mancher Sportwagen braucht hierfür mehr - zumindest, wenn er mit Sprit fährt. Und mit einer Spitzengeschwindigkeit von 200 km/h dürfte der Nio wiederum die meisten Stromer abhängen. Denn diese werden von ihren Herstellern oft schon bei 160 oder 180 km/h eingebremst.

Hohe Reichweite, lahm beim Laden

Vor allem aber reichen seine Akkus länger: Es gibt ihn schon jetzt mit 75 kWh für 456 oder mit 100 kWh für 590 Kilometer. Und bald wollen die Chinesen mit einem rekordverdächtigen Akku von 150 kWh kommen. Der soll dann 1000 Kilometer Reichweite realistisch machen.

Dafür ist die Ladeleistung der Batterien eher schwach. Maximal 11 kW bei Wechselstrom und höchstens 149 kW bei Gleichstrom enttäuschen in einem Segment, in dem 200 kW und mehr die Regel sind. Jedoch verfolgt Nion das Konzept der sogenannten PowerSwap-Stations. Das sind Haltepunkte groß wie Waschanlagen, in denen Roboter leere Akkus binnen fünf Minuten automatisch gegen volle tauschen.

Allerdings hat die Sache gleich zwei Haken: Erstens gibt es davon in Deutschland bislang aktuell nur zwei, und selbst bis zum Jahresende werden es nicht einmal 50 sein. Und zweitens darf sie nur nutzen, wer entweder das ganze Auto abonniert oder zumindest die Batterie für 169 Euro im Monat mietet. Wer Auto und Akku kauft, muss leider draußen bleiben.

Erst rechnen, dann buchen

Apropos kaufen: Das eigenwillige Vertriebskonzept der Chinesen, die den Fahrer gern als User sehen und für ihr Auto lieber eine Flatrate anbieten, macht die Preisliste kompliziert. Denn zu den 47.500 Euro Grundpreis kommen noch einmal 12.000 Euro für den kleinen oder 21.000 Euro für den großen Akku - oder monatlich zwischen 169 und 289 Euro. Und wer Nio-Abonnent wird, der muss je nach Spezifikation und Laufzeit mit 999 bis 1450 Euro monatlich kalkulieren.

Dafür gibt es dann eine ebenso clean wie cool gezeichnete Fließhecklimousine, die nahezu komplett ausgestattet ist: Während man sich bei Audi & Co durch lange Aufpreislisten wühlen muss, sind die meisten Extras von Panoramadach bis zur Sitzheizung im ET5 immer an Bord. Und außer Optionen wie die Anhängerkupplung sind nur noch Farben und Felgen auszuwählen.

Ausreichend Platz und ein alter Bekannter

Ansonsten bietet der ET5 vorne reichlich und hinten ausreichend Platz, nur unter der schmalen Heckklappe schluckt er vergleichsweise bescheidene 386 Liter. Doch die Chinesen schüren bereits Gerüchte, dass es den ET5 vor allem mit Blick auf die Europäer bald auch als Kombi geben wird.

Und noch eine Anpassung an den hiesigen Geschmack haben sie vorgenommen: Es bleibt zwar beim radikal reduzierten Bediensystem mit ganz wenigen Knöpfen, dem großen Touchscreen und der verständigen Sprachsteuerung. Doch weil es nicht jedem gefällt, wenn Nomi die Insassen vom Armaturenbrett aus ständig angrinst, gibt es den digitalen Beifahrer nun auch ohne Gesicht.

Fazit: Aussichtsreicher Kandidat für die Mittelklasse

Er sieht gut aus, hat ein vernünftiges Format und einen konkurrenzfähigen Preis - während sich die großen Modelle in der prestigeträchtigen Oberklasse schwertun, könnte Nio mit dem ET5 tatsächlich den Massengeschmack treffen. Und wenn es bald ein paar mehr Wechselstationen gibt, punkten die Chinesen nicht nur bei der Generation E, sondern vielleicht auch bei sprittreuen Vielfahrern.

Datenblatt: Nio ET5


 Motor und Antrieb Elektroantrieb mit zwei Motoren
 Max. Leistung: 360 kW/490 PS
 Max. Drehmoment: 700 Nm
 Antrieb: Allradantrieb
 Getriebe: Eingang-Getriebe


 Maße und Gewichte 
 Länge: 4790 mm
 Breite: 1960 mm
 Höhe: 1499 mm
 Radstand: 2888 mm
 Leergewicht: 2160 kg
 Zuladung: 530 kg
 Kofferraumvolumen: 386 Liter


 Fahrdaten: 
 Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h
 Beschleunigung 0-100 km/h: 4,0 s
 Durchschnittsverbrauch: 18,6 kWh/100 km
 Reichweite: 590 km
 Batteriekapazität: 100 kWh
 CO2-Emission: 0 g/km
 Kraftstoff: Strom
 Schadstoffklasse: k.A.
 Effizienzklasse: A+


 Kosten: 
 Grundpreis des Nio ET5 (75 kWh): 59.500 Euro
 Grundpreis des Nio ET5 (100 kWh): 68.500 Euro
 Typklassen: k.A.
 Kfz-Steuer: 0 Euro/Jahr


 Wichtige Serienausstattung: 
 Sicherheit: Sieben Airbags, ESP, Spurhalte- und Abstandsregelung
 Komfort: 3-Zonen-Klimaautomatik, klimatisierte Massagesitze, Panoramadach, Digitaler Beifahrer „Nomi“

Alle Angaben laut Hersteller

© dpa-infocom, dpa:230515-99-697085/12

(dpa)
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