Spiegel rein, Ellenbogen raus: Lastwagenbranche vor Leitmesse IAA

Hannover (dpa) - Auf der Autobahn sorgen Lastwagen-Kolonnen für Frust - auf der Nutzfahrzeug-IAA zeigen sie ihre modernste Seite. Doch dieses Jahr ist die Messe mehr als nur Bühne für Lkw-Technologien: Ein neues Duell um den Thron der Brummi-Welt treibt die Branche um.

Spiegel rein, Ellenbogen raus: Lastwagenbranche vor Leitmesse IAA
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Stillstand in der Produktion, gekappte Prognosen und Kurzarbeit: Die Lastwagen- und Busbauer haben einen ganzen Batzen konjunktureller Sorgen im Gepäck, wenn sie sich vom 25. September bis 2. Oktober in Hannover zu ihrer Leitmesse treffen - der Nutzfahrzeug-IAA. Vor allem in Europa kommt der Markt nicht auf die Füße, nachdem eine strengere EU-Abgasnorm die Verkaufszahlen Ende 2013 noch völlig auf den Kopf gestellt hatte.

Vor dem Jahreswechsel schlugen die Spediteure noch einmal bei den alten und günstigen Modellen mit schlechteren Abgaswerten zu - jetzt spüren die Hersteller die Kehrseite der Hamsterkäufe: Weil die Nachfrage ausbleibt, kappte Volvo zu Jahresbeginn die Produktion und fährt ein straffes Sparprogramm, MAN plant Kurzarbeit für zwei Werke und Branchenprimus Daimler dampfte zum Halbjahr seine Erwartungen an den Heimatkontinent ein. Die nächsten Probleme für Europa sieht Auto-Fachmann Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg für das Jahr 2015 aufziehen, wenn der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine die Verkaufszahlen noch weiter drücken könnte.

Da geraten die gut 300 IAA-Weltpremieren schnell in den Hintergrund - dabei gibt die Messe Einblicke, die auch Autofahrer interessieren: Trends wie vernetzte Mobilität oder Autopiloten für die Autobahn sind in der Brummibranche bereits weit gediehen. Und die innerstädtische Logistik kreuzt wegen des Paketbooms durch das Online-Shopping den Alltag vieler Menschen.

Ein Punkt, an dem sich die öffentliche Meinung scheidet, sind die Lang-Lkw, die in einigen Bundesländern auf Nutzen und Risiko getestet werden. Während Gegner der 25,25 Meter langen Brummis Gefahren für Autofahrer, Fußgänger und Radfahrer fürchten, pochen die Befürworter auf große Ladeflächen und geringen Verbrauch. „Wenn wir es ernst meinen mit einer CO2-Reduktion von 30 Prozent, dann müssen wir endlich ernsthaft über ihre Einführung reden“, sagte Daimlers Lkw-Chef Wolfgang Bernhard am Freitag im „Handelsblatt“.

Sparsamer soll auch ein Lastwagen mit Autopilot fahren, dessen Prototyp Daimler auf der IAA zeigt. In zehn Jahren könnte er serienreif über Autobahnen rollen. Die Technik erkennt Gefahren und meistert auch komplexe Verkehrssituationen eigenständig. Dem Trucker bleibt dann Zeit für Fracht- oder Routenplanung.

Ohnehin bleibt die Spriteffizienz ein Dauerbrenner: Auf der Messe verschwinden große Außenspiegel und werden durch Bildschirme und Außenkameras ersetzt. Über den reduzierten Luftwiderstand lassen sich noch ein paar Hundertstel Sprit sparen. Und auf die kommt es in der Branche an, in der jeder Cent wettbewerbsrelevant ist.

„Total cost of ownership“, kurz TCO, heißen die Gesamtkosten eines Nutzfahrzeugs - also mit Anschaffung, Verbrauch, Reparatur, Personal, Versicherung und Mautgebühren. Gerade westliche Premiumhersteller führen „TCO“ ins Feld. Der Löwenanteil dabei sind nach ihrer Rechnung die Spritkosten mit rund 30 Prozent.

Ebenso spannend wie der Kampf um Spritverbrauch dürfte das Rennen der Konkurrenten werden. Bis 2030 wird sich die Branche laut dem Beratungsunternehmen A.T. Kearney gewaltig wandeln. Gebe es heutzutage nur die vier globalen Konzerne Daimler, Volkswagen - samt MAN und Scania -, Volvo sowie Paccar aus den USA, dürften es in 15 Jahren sechs bis acht globale Gruppen sein - mit zwei bis vier aus Fernost. Bislang nur regionale Größen wie Toyota aus Japan oder Tata aus Indien seien zum Wachstum verdammt.

Da passt es, dass VW-Chef Martin Winterkorn im Mai dem Weltmarktführer Daimler den Kampf ansagte. Anfang 2015 verstärkt sich VW mit dem früheren Daimler-Vorstand und Truck-Fachmann Andreas Renschler. Und der soll laut Winterkorn dazu beitragen „unser Nutzfahrzeuggeschäft an die Spitze der Branche zu führen“.

Fahren die Rivalen aus Wolfsburg und Stuttgart die Ellenbogen aus? Zweimal sorgte die Vorstandsetage der Schwaben im Sommer mit Aussagen über den Konkurrenten aus Niedersachsen für Aufsehen. Erst war es eine angeblich sondierte Übernahme von Paccar, dann der Start des nächsten VW-Transporters. An anderer Stelle ist das Tischtuch schon zerschnitten: Den Großtransporter Crafter, der noch bei Daimler zusammen mit dem fast baugleichen Mercedes-Sprinter vom Band rollt, baut Volkswagen bald in Eigenregie.

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