Schöner wohnen hinterm Lenkrad - Die neue Gemütlichkeit im Auto

Genf (dpa/tmn) - Wie im Wohnzimmer - so soll man sich in einer Designstudie von Volvo fühlen, die auf dem Autosalon in Genf ausgestellt ist. Und auch andere Autohersteller haben Ideen für mehr Gemütlichkeit im Innenraum parat - zum Teil allerdings recht schräge.

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Foto: dpa

Es mag an den immer länger werdenden Staus liegen, in denen die Menschen eben nicht nur auf den Straßen, sondern auch in ihren Autos feststecken. Vielleicht ist es aber auch einfach nur an der Zeit für eine Trendwende. Oder beides. Fakt ist: Die Autohersteller sind gerade sehr bemüht, es uns in den Pkw-Modellen von morgen so lauschig wie möglich zu machen. Wohnzimmeratmosphäre im Wagen schaffen, lautet die Devise der Interieur-Designer. Und dabei kommen sie auf wirklich ausgefallene Gestaltungsideen, wie sich auf dem Genfer Autosalon (Publikumstage: 6. bis 16. März) zeigt.

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Beispiel gefällig? Was da auf der Mittelkonsole und in den Türen von Skodas Coupé-Studie Vision C glitzert, ist feinstes Kristallglas. Eine Verbeugung vor der böhmischen Handwerkskunst, ein Stück Heimat in einem zukunftsweisenden Showcar der tschechischen VW-Tochter. Am liebsten würde Skoda-Designer Jozef Kabaň die kostbare Glaskonsole mit eingelassenem Automatikwahlhebel und die Intarsien in den Türverkleidungen bald in einem Serienwagen sehen, wäre da nicht noch das Thema Crash-Sicherheit. Nach einer Lösung wird gesucht. Aber Plastik-Pendants dürften keine Alternative sein - zu schmal ist hier der Grat zwischen Kunst und Kitsch.

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Volvo setzt in seiner Genf-Studie Concept Estate auf eine nicht weniger ungewöhnliche Inneneinrichtung: Wollstoffe für Dachhimmel und Fußraum, der Instrumententräger mit rustikalem Sattelleder überzogen, dazu kommen Einsätze aus Holz und Kupfer. Die Intention ist ähnlich wie bei Skoda: im Wagen Raum zum Wohlfühlen schaffen, aber eben auf die schwedische Art. Die Presseabteilung bringt es auf den Punkt: „Wie in einem skandinavischen Wohnzimmer“ sollen sich die Insassen in dieser Umgebung wohlfühlen, wenn im Berufsverkehr wieder mal nichts mehr geht.

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Mini versucht das Ganze in seinem Vorserienfahrzeug für den nächsten Clubman auf die lässig-elegante Art: mit Oberflächen im Stil von blau gekalktem Eschenholz und Zierelementen wie Lüftungsumrandungen und Schaltern aus patiniertem Silber. „Die Patina verleiht ihnen den Charakter liebgewonnener und gerne benutzter Gegenstände“, wirbt das britische BMW-Tochterunternehmen. Richtig kuschelig wird es in Minis Clubman-Studie durch den Tweed-Stoff unterm Dach.

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Auch wenn gekalktes Holz und patiniertes Silber, Wolle und Sattelleder erst einmal nicht nach Autoausstattung klingen, sind die Hersteller mit solchen Materialien auf dem richtigen Weg, sagt Design-Professor Lutz Fügener von der Hochschule Pforzheim. Im Trend ist, was ehrlich und authentisch wirkt, gerne auch ökologisch. „Die Kunden fordern zunehmend Material, das in seiner ästhetischen Anmutung und den Gebrauchseigenschaften zwar nach wie vor hochwertig ist, jedoch nicht eine andere Materialität vorspiegelt.“ Das klassische Armaturenbrett aus Kunststoff mit Pseudo-Ledernarbung ist out und die neue Natürlichkeit in.

Sehr ähnlich sieht das Prof. Paolo Tumminelli von der International School of Design in Köln. „Der Trend beim Autointerieur geht ganz eindeutig zu nachhaltigen Naturstoffen und leichten High-Tech-Materialien.“ Dazu zählen laut Tumminelli etwa Hanfverbundfasern, Leichtmetall, Carbon und Stoffsitzbezüge.

„Und wenn Kunststoff eingesetzt wird, dann Hartplastik - endlich wertvoll verarbeitet“, so Tumminelli. Ein gutes Beispiel dafür sind die wahlweise bunten, schwarzen oder weißen Zierblenden an Lüftungsdüsen, Schalthebel, Mittelkonsole und Türen in den neuen, baugleichen Kleinwagen Peugeot 108, Citroën C1 und Toyota Aygo: Sie fühlen sich wertig an, setzen in den Autos Farbakzente - und sie lassen sich leicht austauschen, wenn man sich daran sattgesehen hat.

Für Autokäufer spielen die inneren Werte eines Wagens eine zunehmend wichtige Rolle und die äußere Verpackung verliert an Bedeutung, sagen beide Design-Experten. „In den vergangenen Jahren ist deutlich eine Verschiebung des Interesses weg vom Exterieur in Richtung des Innenraums festzustellen“, hat Fügener beobachtet. War in der Vergangenheit das äußere Erscheinungsbild eines Autos für Kunden entscheidend, komme dem Interieur-Design inzwischen fast die gleiche Bedeutung zu.

„Autos kommen kaum mehr zum Fahren, man bewegt sich im Start-Stopp-Modus immer langsamer, immer länger. Daher entdeckt man die Qualität des Innenraums neu“, analysiert Tumminelli. Die Japaner beispielsweise seien da schon so weit, dass sie schmucken Coupés ein „Tall Car“ vorziehen - „ein Häuschen auf Rädern, das man nicht von außen, sondern von innen genießt“.

Bei der Materialwahl für Serienautos haben die Innenausstatter natürlich längst nicht die Freiheiten wie für Fahrzeugstudien. „In den Showcars wird mit ehrlichen und natürlichen Materialen experimentiert, um Kundenreaktionen zu ermitteln“, erläutert Fügener. Ist eine Akzeptanz spürbar, müssen die Autobauer überlegen, wie sie die Design-Ideen kostengünstig und alltagstauglich umsetzen können. Dafür sei häufig ein Umdenken erforderlich - und ein Umschwenken auf andere Materialien, so der Pforzheimer Professor. „Aber dann lässt sich womöglich auch ein Kristallteil auf eine fahrzeugadäquate Art umsetzen.“

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