Radfahrer gegen Autofahrer - Der mühsame Weg zum Frieden

Berlin (dpa/tmn) - Noch ist es ruhig. Ein Mann fährt mit seinem Auto an eine Kreuzung heran. Er will abbiegen und blinkt rechts. Da kommt ein Radfahrer, der aus dem toten Winkel schlüpft. Der Autofahrer bremst, der Radler auch.

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Passiert ist nichts, aber beide sind geladen. Begegnungen wie diese sind auf Deutschlands Straßen keine Seltenheit.

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Der Verkehrssoziologe Alfred Fuhr sagt: „Autofahrer und Radfahrer sind zwei Autonome im urbanen Raum, die sich bekriegen.“ Eine einfache Erklärung für das schwierige Verhältnis könnte lauten: Autofahrer sind kompromisslose PS-Rowdys, die sich hinter Metall und ihrer Anonymität verstecken und keinen Zentimeter Platz machen. Dem gegenüber stehen die Radfahrer, die sich ökologisch und moralisch im Recht fühlen und als Ausdruck ihrer Überlegenheit demonstrativ rote Ampeln überfahren und Verkehrsschilder ignorieren. Gas gegen Pedal, Fahrer gegen Lenker, Motor gegen Muskeln.

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Doch in dieser Debatte helfen Pauschalurteile wenig. Viele Autofahrer sind auch Radfahrer - und umgekehrt. „Man sollte die Parteien nicht stigmatisieren“, sagt Andrea Häußler, Verkehrspsychologin beim Tüv Süd. Die Persönlichkeit wechselt mit dem Verkehrsmittel. Dabei bleibt eine Eigenschaft jedoch erhalten: „Man neigt dazu, die eigene Rolle voll auszuleben“, erklärt Häußler.

Laut Alfred Fuhr neigt man als Radfahrer dazu, den Verkehrsraum so optimal wie möglich auszunutzen: Fahren über Bord und Stein, quer über die Kreuzung, über den Mittelstreifen, über Gras und Gehwege - alles kein Problem. „Radfahrer sind Teilzeitbefolger des Gesetzes“, sagt Fuhr. Wechseln Autofahrer auf das Rad, können sie endlich den kürzesten Weg zum Ziel nehmen.

Umgekehrt, wenn man im Auto sitzt, ist das Freiheitsgefühl andersgeartet. Im Wagen ist man geschützt - und man ist Herr über PS und die Straße. „Mit 1500 Kilogramm Stahl um sich herum fühlt man sich sicher“, sagt Fuhr. Radfahrer sind keine Gefahr, Rücksicht müssen Autofahrer um ihrer selbst willen nicht nehmen.

Wenn Radfahrer und Autofahrer ihre Möglichkeiten voll ausschöpfen, sind Unfälle programmiert. Im Jahr 2014 sind auf Deutschlands Straßen mehr als 3370 Menschen gestorben. Der Anteil getöteter Radfahrer stieg dabei nach Angaben des Statistischen Bundesamtes um 11,9 Prozent auf 396.

Stephanie Krone vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) fordert, dass Autofahrer, die Stärkeren auf der Straße, die Belange von Radfahrern, den Schwächeren, mehr berücksichtigen. Herbert Engelmohr vom AvD hält von der Kategorisierung in starke und schwache Verkehrsteilnehmer wenig: „Es suggeriert, dass manche die Verkehrsregeln eher befolgen müssen als andere.“

Im Straßenverkehr neigt man dazu, das Regelwerk auszublenden. Deshalb kommt viel darauf an, mit welcher Grundhaltung Auto- und Radfahrer jede Fahrt antreten. „Rücksicht ist eine Einstellung. Und diese gewinnt man nur, wenn man seine Rolle hinterfragt und sich von seinen eigenen Interessen distanziert“, sagt Andrea Häußler.

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