Oberklasse-Autos werden effizienter

Bergisch Gladbach (dpa/tmn) - Große Motoren benötigen naturgemäß viel Sprit. Mit dieser einfachen Rechnung zur Rechtfertigung hoher Verbräuche brauchen Autohersteller den Kunden längst nicht mehr zu kommen.

Deshalb werden auch Oberklasse-Modelle immer genügsamer.

Ihre Nobelkarossen und Sportwagen sind teurer als manche Eigentumswohnung. Da sollte man meinen, dass es gut betuchten Autobesitzern beim Verbrauch auf ein paar Liter mehr oder weniger nicht ankommt. Doch dieser Eindruck täuscht: „Wir beobachten seit Jahren, dass sich Energieeffizienz und Umweltschutz zu 'Hygienefaktoren' entwickeln“, sagt der Autoexperte Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Kunden in den gehobenen Preissegmenten gehe es weniger um Spritkosten „als um die psychologische und soziale Rechtfertigung des eigenen Verhaltens“. Also um ein reines Gewissen und einen guten Ruf bei den Nachbarn.

Die Autohersteller tragen dieser Entwicklung Rechnung und bringen Sportwagen und Luxuslimousinen zusehends das Sparen bei. Prominentestes Beispiel ist aktuell wohl der Rolls-Royce 102EX, den die britische BMW-Tochter auf dem Genfer Autosalon enthüllt hat. Des „Experimental Car“ auf Basis des Phantom fährt nicht wie sonst mit einem 6,75 Liter großen und 338 kW/460 PS starken Zwölfzylinder, der im besten Fall auf einen Normverbrauch von 15,9 Litern (CO2-Ausstoß: 385 g/km) kommt. Ihn treiben zwei E-Motoren mit je 145 kW/197 PS an.

Damit erreicht der leise Luxusgleiter bis zu 160 km/h. Lithium-Ionen-Akkus sollen Strom für rund 200 Kilometer liefern. Vorerst diene der Wagen mit der blau beleuchteten Kühlerfigur allerdings nur als Testfahrzeug, um die Technik zu erproben und die Akzeptanz der Kundschaft auszuloten, sagt Firmenchef Torsten Müller-Ötvös. Eine Serienversion schließt er aus.

Während die Briten noch testen, haben andere Hersteller bereits mit der Produktion genügsamerer Nobelschlitten begonnen. Als Königsweg sehen sie dabei neben dem Downsizing - also dem Einsatz kleinerer, aufgeladener Motoren - der Hybridantrieb. Die Kombination von Benzin- und Verbrennungsmotor gibt es bereits in luxuriösen Geländewagen von Lexus, BMW, Porsche und VW sowie bei Cadillac, in der Mercedes S-Klasse, im 7er BMW und in den großen Lexus-Limousinen. In diesem Jahr wird die Hybridtechnik in Fahrzeugen wie dem Infiniti M, dem Audi A6, der Mercedes E-Klasse sowie dem 5er BMW Einzug in die gehobene Mittelklasse halten.

Porsche setzt den kombinierten Antrieb im Panamera erstmals in einem Sportwagen ein: Sein V6-Benziner leistet 245 kW/333 PS. Der zusätzliche E-Motor steuert 34 kW/47 PS bei und kann das Auto bis zu drei Kilometer weit rein elektrisch bewegen. Gemeinsam beschleunigen sie das Sport-Coupé in 6,0 Sekunden auf Tempo 100 und weiter bis auf 270 km/h - bei einem Durchschnittsverbrauch von nur 6,8 Litern (CO2-Ausstoß: 159 g/km). Ab Juni soll „der sparsamste Porsche aller Zeiten“, wie Unternehmenschef Matthias Müller den Panamera S Hybrid beschreibt, erhältlich sein.

Dass man mit noch weniger Sprit sportlich fahren kann, will bald BMW mit dem i8 beweisen. Das Coupé bekommt laut Entwicklungsvorstand Klaus Draeger einen Plug-in-Antrieb, bei dem an der Steckdose aufladbare Akkus, ein Elektromotor und ein neuer Dreizylinder kombiniert werden. Details verrät Draeger noch nicht. Das Auto soll aber „sportlich wie ein BMW M3 und sparsam wie ein Mini“ sein.

Aber auch mit konventionellen Mitteln lässt sich der Verbrauch drücken: Bentley will zum Beispiel den neuen Continental auch mit einem V8-Motor anbieten, nachdem das Modell acht Jahre lang ausschließlich mit zwölf Zylindern zu haben war. Die Briten versprechen im Vergleich zum großen Aggregat einen Verbrauchsvorteil von 40 Prozent. In der Mercedes S-Klasse arbeitet sogar erstmals in der Modellgeschichte ein Vierzylinder: Der S 250 CDI gibt sich auf 100 Kilometern mit 5,7 Litern (CO2-Ausstoß: 151 g/km) zufrieden.

Bei Ferrari ist ebenfalls Sparen angesagt. In den California bauen die Italiener eine Start-Stopp-Automatik ein, wie es sie seit gut einem Jahr auch in zahlreichen Modellen des Mercedes-Werkstuners AMG gibt. Dort tüfteln die Entwickler derzeit an einer Zylinder-Abschaltung, die den hauseigenen V8-Motor bei langsamer Fahrt zum Vierzylinder degradiert. Noch umweltfreundlicher als diese Boliden sollen die ersten elektrischen Sportwagen von Audi und Mercedes sein, deren Serienproduktion gerade vorbereitet wird.

Dass die aufwendigsten Sparlösungen ausgerechnet in der Oberklasse und bei Sportwagen zum Einsatz kommen, hat für Autoexperte Bratzel einen simplen Grund: „Die geringe Preissensibilität der Kunden macht die Einführung teurer Technologien im Luxussegment einfacher.“ Deshalb gebe es auch mehr große Geländewagen und Luxuslimousinen mit Hybridantrieb als Kleinwagen. Außerdem erklärt sich dadurch eine ungewöhnliche Entwicklung in der Spritspartabelle: Hoch motorisierte Autos wie ein Mercedes S 63 AMG oder ein Porsche Panamera erreichen dort mittlerweile Werte, von denen manch ein Familienkutschen-Besitzer nur träumen kann.

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