Autotechnik „Keyless Go“: Autodiebe tricksen Schlüsseltechnik aus

Mit „Keyless Go“ muss der Schlüssel lediglich in der Hosentasche sein, um den Wagen zu öffnen und zu starten. Diebe knacken die Systeme in wenigen Sekunden.

Autotechnik: „Keyless Go“: Autodiebe tricksen Schlüsseltechnik aus
Foto: dpa

Düsseldorf. Mit den Armen voller Gepäck oder Einkäufen können sie ein echter Segen sein: Keyless Go-Systeme, bei denen das Auto weder durch mechanisches Aufschließen noch durch Drücken des Öffner-Knöpfchens auf dem Schlüssel geöffnet wird. Hier reicht es, den Schlüssel in der Hosen- oder Handtasche zu haben — nähert man sich dem Wagen, schließt dieser wie von Geisterhand auf, auch zum Losfahren reicht es, den Schlüssel irgendwo im Auto dabei zu haben. Doch was so praktisch sein kann, birgt eine echte Sicherheitslücke. Denn offenbar lässt sich das Keyless-System mit einfachsten Mitteln austricksen.

„Dafür muss man kein Profi sein. Mit zwei Keyless-Geräten ist Fahrzeugdiebstahl ein Kinderspiel“, sagt ADAC-Experte Arnulf Thiemel. Der Schlüssel bei diesen Systemen sei ständig auf Empfang, das Auto sende Signale, die etwa zwei Meter um das Auto herum reichen. Sobald der Schlüssel ein solches Signal empfängt, funke er an das Auto zurück. Dieses erkenne den Schlüssel als ihm zugehörig und lasse ein Türöffnen und den Motorstart zu. „Bei der Keyless-Diebstahl. Methode wird einfach die Funkverbindung zwischen Auto und Schlüssel verlängert — auf bis zu hundert Meter“, sagt Thiemel. Wenn der Schlüssel beispielsweise am Schlüsselbrett im Haus hängt und der Wagen vor der Tür steht, können Autodiebe das Auto öffnen, indem sie sich mit einem entsprechenden Verstärker-Gerät vorsichtig dem Haus nähern. „Das Auto merkt leider nicht, dass der Schlüssel in Wahrheit viel weiter weg ist.“ Dabei werde keinerlei Verschlüsselung gebrochen oder Hacking betrieben. Die erforderlichen Geräte ließen sich mit Mitteln aus dem Elektronik-Markt selbst bauen. „Für gerade einmal 100 Euro Materialkosten, wie der ADAC nachgewiesen hat“, sagt Thiemel.

Denn nachdem die eidgenössisch-technische Hochschule Zürich 2011 erstmals auf das Problem aufmerksam gemacht hat, hat der ADAC die Systeme von über 100 Fahrzeugen getestet. „Wir haben bisher noch keines gefunden, das sich nicht auf diese Weise in Sekundenschnelle stehlen lässt.“

In wie vielen Fällen das bereits passiert ist, lässt sich schwer nachvollziehen. „Das lässt sich nicht im Detail auswerten, denn wenn ein Auto gestohlen wurde, ist es weg und es lässt sich nicht feststellen, auf welchem Wege es geklaut wurde“, sagt Thiemel. Das Landeskriminalamt NRW bestätigt das. „Wenn der Wagen nicht noch gefunden wird, können wir nicht nachvollziehen, wie das Auto aufgebrochen wurde“, sagt ein Sprecher. Doch wenn der Wagen wieder gefunden wird, gibt es das nächste Problem: Denn es ist schwierig einen Diebstahl nachzuweisen — immerhin gibt es keinerlei Einbruchspuren. „Wir haben unsere Erkenntnisse auch an die Polizei weiter gegeben, damit diese bei fehlenden mechanischen Spuren nicht gleich den Fahrzeugbesitzer des Versicherungsbetruges verdächtigt“, sagt Thiemel.

Doch kann man etwas dagegen unternehmen, dass der Wagen auf diese Weise gestohlen wird? Ein Tipp ist, den Schlüssel in Alufolie zu packen und zu testen, ob er noch normal funkt und aufschließt. Wenn er das nicht tut, kann man doch eigentlich sicher sein, oder?. Das sei nicht praxisgerecht, sagt Thiemel. Außerdem sei es die Aufgabe der Hersteller, ihre Systeme diebstahlsicher zu machen. „Warum soll ich als Verbraucher mein meist teures, und zwar gegen Aufpreis erworbenes Komfort-Schließsystem, auf diese Weise ad absurdum führen?“, fragt der ADAC-Experte.

Auf Nachfrage beim Verband der Automobilindustrie (VDA) wird beschwichtigt. „Die Zahl der Autodiebstähle ist nach Zahlen der deutschen Versicherungswirtschaft in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren um rund 80 Prozent zurück gegangen. Das deutet darauf hin, dass durch Keyless Go kein höheres Diebstahlrisiko entstanden ist“, sagt Sprecher Peter Mair. Hersteller und Zulieferer entwickelten die Schutzmechanismen ständig weiter, man sei dabei auch im Dialog mit den Sicherheitsbehörden. „Erkenntnisse über neueste Angriffs- und Diebstahlmethoden werden rasch und umfassend ausgetauscht und fließen direkt in die weitere technische Optimierung der Fahrzeuge und in die Prävention ein“, sagt Mair.

Das Problem ist seit 2011 bekannt und bislang noch nicht behoben worden. Da die Polizei immer wieder entsprechende Geräte beschlagnahmt, sei davon auszugehen, dass diese Methode nicht selten verwendet wird, findet Thiemel.

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