Interview mit Auto-Experte Dudenhöffer „Der Diesel ist ein sterbender Patient“

Berlin · Der jüngste Diesel-Kompromiss der Großen Koalition sei allenfalls ein halbgares Konzept, kritisiert Ferdinand Dudenhöffer, Professor vom CAR-Center Automotive Research der Universität Duisburg-Essen. Unser Korrespondent Stefan Vetter fragte nach.

 Symbolbild.

Symbolbild.

Foto: dpa/Marijan Murat

Herr Dudenhöffer, wird die Luft in deutschen Städten künftig sauberer?

Ferdinand Dudenhöffer: Nein. Nach meiner Einschätzung reichen die wenig konkreten Maßnahmen nicht aus, um gerichtlich verhängte Fahrverbote in besonders schadstoffbelasteten Regionen auszuhebeln.

Warum?

Ferdinand Dudenhöffer: Das Grundübel ist: Es wurde viel zu viel Zeit vertrödelt. Seit drei Jahren sind wir im Diesel-Gate. Ergo, hätte man Umrüstungen spätestens damals in Auftrag geben müssen. Denn seit acht Jahren weiß die Bundesregierung, dass wir in großen Städten große Schadstoffprobleme haben. Acht Jahre sind vergangen, um nun in einer Nacht- und Nebelsitzung ein halbgares Konzept zu beschließen. Das ist ärmlich.

Was stört Sie daran besonders?

Ferdinand Dudenhöffer: Völlig unklar ist zum Beispiel, wie die Hardware-Nachrüstungen für Diesel-Pkw aussehen sollen. BMW hat schon ganz abgewinkt, Mercedes wartet ab, VW sagt, vielleicht. Und die Importeure sagen, mit uns nicht. Dabei wären Hardware-Nachrüstungen die wirksamste Maßnahme gewesen, um die Luft schnell sauberer zu machen. Nun sind sie praktisch ausgehebelt, denn auch Garantien wollen die Hersteller nicht übernehmen, wenn es zu Umrüstungen kommt.

Kann man die deutschen Hersteller zu Nachrüstungen zwingen?

Ferdinand Dudenhöffer: Das geht nur, wenn man ihnen nachweist, dass sie Fehler gemacht haben.

Aber manche haben doch Abgaswerte manipuliert und damit bewusst betrogen.

Ferdinand Dudenhöffer: Fast alle sagen, sie hätten nicht betrogen. Bis auf VW. Deshalb ist VW ja auch offen für Nachrüstungen. Wobei sich VW ja schon mit der Bundesregierung einig war, Software-Updates durchzuführen. Also könnte auch VW hergehen und sagen, wir haben unsere Auflagen bereits erfüllt. Juristisch wäre dieser Haltung nach meiner Einschätzung schwerlich etwas entgegenzusetzen.

Der aktuelle Kompromiss sieht vor, dass Behörden anhand des Kennzeichens über die Zulassungsdaten prüfen sollen, ob Diesel-Pkw entsprechend sauber sind, um auch in Fahrverbotszonen fahren zu können. Ist das praktikabel?

Ferdinand Dudenhöffer: Dazu müssten alle Fahrzeuge in den Städten permanent gescannt werden. Daraus erwachsen vermutlich datenrechtliche Probleme. Und überhaupt sind dazu erst einmal Scan-Anlagen erforderlich. Dazu ist aber nichts gesagt worden. Ich vermute, dass man bei der Kontrolle die Hürden bewusst niedrig gelegt hat, um Diesel-Fahrer nicht restlos zu verärgern.

Mehr als die Hälfte der Diesel-Pkw auf deutschen Straßen sind ausländische Marken. Auch von denen ist keine Rede…

Ferdinand Dudenhöffer: Hier wurde ebenfalls wertvolle Zeit vertan. Schon vor drei Jahren hätte sich die Bundesregierung auch mit ausländischen Herstellern zusammensetzen müssen, um gemeinsam einen umfassenden Plan zu entwickeln. Unter dem Strich ist man hier sehr amateurhaft vorgegangen.

Ist der Diesel in Deutschland tot?

Ferdinand Dudenhöffer: Angesichts der vielen Unsicherheiten kann sich kaum jemand mehr mit einem Diesel anfreunden. Vor sechs Jahren hat noch gut jeder dritte Privatkunde einen Diesel gekauft. Aktuell tut das kaum noch jeder Fünfte. Der Diesel ist ein sterbender Patient.

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