Hinten sitzt der Chef - Motorradfahren mit Kindern

Essen (dpa/tmn) - Wenn sich Eltern regelmäßig aufs Motorrad schwingen, haben es die Kinder meist schnell satt, ihnen hinterherwinken zu müssen: Sie wollen mitfahren. Die Entscheidung für eine gemeinsame Tour mit dem Nachwuchs will allerdings gut überlegt sein.

Auf zwei Rädern über den Asphalt zu gleiten, macht großen Spaß. Sollte man Kindern dieses Vergnügen verwehren? „Viele Eltern sind unsicher, ob und ab wann sie ihre Kinder auf dem Motorrad mitnehmen können. Pauschale Antworten auf diese Fragen gibt es leider nicht“, sagt Jürgen Bente vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR).

Das Gesetz schreibt kein Mindestalter für Kinder vor, ab dem sie auf einem Motorrad mitfahren dürfen. Wann die Steppkes reif für den Soziusplatz sind, hängt allein von ihrer Größe und Kraft ab. „Sie müssen mit beiden Füßen die Fußrasten sicher erreichen können und in der Lage sein, sich aus eigener Kraft festzuhalten“, erklärt Bente. Kleinkinder scheiden deshalb aus. Eine Sitzprobe auf dem hinteren Sattelteil zeigt, wann eine erste gemeinsame Ausfahrt möglich ist.

Wie wohl sich ein Passagier auf einem Motorrad fühlt, hängt davon ab, wie gut er sich festhalten kann. Tut er dies an Haltegriffen am Maschinenheck, bekommt er schnell das ungute Gefühl, jeden Moment nach hinten vom Sitz zu kippen. „Für Ausflüge zu zweit ist deshalb ein spezieller Gurt mit seitlichen Halteschlaufen für den Sozius empfehlenswert, den der Fahrer über seiner Bekleidung anlegt“, erläutert Matthias Haasper vom Institut für Zweiradsicherheit (ifz).

Ein solcher Gurt ist für vergleichsweise wenig Geld im Fachhandel zu bekommen. Deutlich teurer dagegen die Schutzmontur für junge Mitfahrer - „da kommen schnell mehrere hundert Euro zusammen“, weiß Michael Lenzen vom Bundesverband der Motorradfahrer (BVDM). Jacke und Hose dürfen nicht zu groß sein, eingelassene Protektoren könnten sonst verrutschen und wären bei einem Sturz wirkungslos. Da Kinder schnell aus der Kleidung herauswachsen, rät Lenzen zum Gebrauchtkauf - allerdings nicht beim Kopfschutz: „Ein Helm aus zweiter Hand könnte heruntergefallen sein und feine Risse haben, die man auf den ersten Blick nicht sieht.“

Ohnehin benötigen Mini-Biker an ihren Körperbau angepasste Helme: Hals- und Nackenmuskulatur sind meist noch nicht voll ausgeprägt. „Deshalb sollten Helmumfang und -gewicht möglichst gering sein, sonst trüben schnell schmerzhafte Verspannungen den Fahrspaß“, erklärt Haasper. Visier und Lüftungen müssen sich leicht öffnen lassen.

Damit der Nachwuchs ein Gefühl für die besondere Fahrdynamik eines Motorrads bekommt, empfiehlt Haasper „Trockenübungen“, bevor die Reise losgeht. Entweder auf der stehenden Maschine oder auch rittlings auf einer schmalen Bank, wo sich zum Beispiel Kurvenfahrten simulieren lassen. Fahrer und Sozius sollten sich auch auf Zeichen einigen, um sich unterwegs verständigen zu können.

Der ifz-Experte betont: „Beim Fahren mit Kindern sitzt der Chef hinten.“ Und der mag es komfortabel. Haasper ruft deshalb zu einer ausgeglichenen und defensiven Fahrweise auf. Denn bei harten Beschleunigungs- oder Bremsmanövern bekommen es Mitfahrer rasch mit der Angst zu tun und empfinden den Trip als Tortour.

Spritztouren von maximal einer halben Stunde müssen für den Anfang reichen. Schließlich macht es keinen Sinn, einen jungen Sozius bei den ersten Fahrerfahrungen körperlich und mental an seine Grenzen zu bringen. Michael Lenzen empfiehlt, „schon nach kurzer Zeit eine Pause zu machen, um zu hören, ob es dem Passagier noch gefällt“. Wichtig sei auch eine Nachbesprechung nach jeder Tour.

Weniger anstrengend für einen jungen Sozius ist die Mitreise in einem Gespann. Das bedeutet aber nicht, dass auf einen Helm und vollständige Schutzkleidung verzichtet werden darf. Außerdem dürfen Kinder nicht nebeneinander oder neben Erwachsene gequetscht werden, obwohl kein Platz mehr im sogenannten Boot ist.

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