Auto-Bediensysteme: Frieden im Krieg der Knöpfe

Las Vegas/Detroit (dpa/tmn) - Zeigen statt drücken, winken statt drehen: Geht es nach Designern und Fahrzeugentwicklern, bedienen wir das Auto bald wie Smartphones oder Tablet-PCs. Auf der Auto Show in Detroit und der US-Elektronikmesse CES gibt es Entwürfe zu sehen.

Von außen sieht es aus, als würde er ein paar Fliegen verscheuchen: Audi-Entwickler Werner Hamberger sitzt hinter dem Lenkrad, winkt immer wieder mit der rechten Hand über dem Armaturenbrett hin und her, hebt und senkt sie. Aber Hamberger ärgern keine Fliegen: Er demonstriert, wie Autofahrer möglicherweise in Zukunft das Infotainment-System ihres Wagens bedienen werden.

Konventionelle Knöpfe, Schalter und Tasten haben offenbar bald ausgedient, und selbst die berührungsempfindlichen Touchscreens in der Mittelkonsole wirken seit dem Siegeszug der Smartphones beinahe altbacken. Das zumindest ist der Eindruck, der nach einem Blick in viele Fahrzeugneuheiten auf der North American International Auto Show in Detroit (NAIAS, Publikumstage: 14. bis 22. Januar) und mehr noch nach einem Besuch der Elektronikmesse Consumer Electronics Show (CES, 10. bis 13. Januar) in Las Vegas blieb: Händeringend scheinen die Autohersteller durch die stark vereinfachte Bedienung komplexer Systeme Frieden im Krieg der Knöpfe stiften zu wollen.

„Mit der zunehmenden Vernetzung strömen so viele Informationen auf den Fahrer ein und es gibt so viele neue Möglichkeiten, dass wir mit klassischen Bediensystemen nicht mehr auskommen“, begründet Mercedes-Forscher Bharat Balasubramanian diese Entwicklung.

Der jüngste Entwicklungstrend ist die Gestensteuerung. Genau wie bei Smartphones und Tablet-PCs reichen die Bewegungen einer Hand oder eines Fingers, um Funktionen zu aktivieren oder eine Auswahl zu treffen - ohne den Bildschirm zu berühren. „Kameras erkennen die Richtung der Gesten und Infrarotsensoren messen die Entfernungen“, erläutert Hamberger. „So kann die Elektronik das Bewegungsmuster erfassen und jedes Kommando verstehen.“

Um das zu demonstrieren, hat Audi auf der CES ein Cockpit aufgebaut, in dem gleich drei Head-up-Displays montiert sind, die wichtige Informationen in die Frontscheibe projizieren. Das Bild auf der linken Seite kann nur der Fahrer erkennen, das rechte sieht allein der Beifahrer, und die Mitte haben beide im Blick. Das zentrale Bild zeigt verschiedene Menüs, aus denen Fahrer und Beifahrer mit einem Fingerzeig auswählen können. Winkt sich der Sozius zum Beispiel ein Sonderziel auf seinen Schirm, sieht er etwa einen kleinen Film zum entsprechenden Hotel oder Museum. Lässt sich der Fahrer im Gespräch davon überzeugen, genügt ein Wink nach links, um die Adresse als Navigationsziel zu übernehmen.

Ähnliche Wege beschreitet Mercedes mit seiner Designinstallation Dice. Der weiße Würfel zeigt eine Vision für das Interieur eines Zukunftsautos, in dem es zwar noch ein Lenkrad, aber keine Schalter mehr gibt. Es reichen Gesten aus, um durch Menüs zu scrollen, Unterpunkte auszuwählen und Funktionen zu starten, erklärt Designer Hartmut Sinkwitz. Die komplette Frontscheibe dient dabei als Bildschirm. Das System im Wagen könnte mit der Außenwelt vernetzt werden: Mit einem Fingerzeig könnte man sich nach den Vorstellungen von Sinkwitz über einen Livestream die Musik ins Auto laden, die in einer Disco läuft, an der man gerade vorbeifährt. Man könnte auf der Navigationskarte den Standort von Freunden und Bekannten sehen oder im Vorbeifahren Hotelbetten und Kinokarten buchen, sagt der Designer.

Dass die CES-Visionen nicht aus der Luft gegriffen sind, belegen auf der Motorshow in Detroit viele Autos, die unmittelbar vor der Serieneinführung stehen. Im Cadillac ATS zum Beispiel debütiert das neu entwickelte Bediensystem CUE, das sehr einfach zu handhaben sein soll. Hätten andere Mittelklasselimousinen vom Format des ATS im Schnitt allein 20 Knöpfe für die Bedienung des Radios, komme das CUE-System dafür mit vier Knöpfen aus, erläutert der Hersteller.

Im nächsten Ford Mondeo, der in Detroit als US-Modell Fusion steht, gibt es das gemeinsam mit Microsoft entwickelte Sync-System, das auf eine erweiterte Sprachsteuerung setzt und diese nun sogar für externe Geräte wie das Handy ermöglicht. Im neuen Dodge Dart ist ein Touchscreen eingebaut, der fast so groß ist wie ein Tablet-PC. Und bei Toyota findet sich in der Studie NS4, die einen Ausblick auf den nächsten Prius gibt, ein Eingabegerät, das wie ein Tablet-Computer bedient wird: Man kann zoomen, scrollen und Ordner verschieben.

Auch Audi-Mann Hamberger ist mit seinen Entwicklungen nicht nur in ferner Zukunft unterwegs. Bis die Gestensteuerung mit Head-up-Display kommen könnte, werden zwar noch viele Jahre vergehen. Doch neben der Studie für vermeintliche Fliegenjäger steht ein kleines Exponat, das ebenfalls Bewegungen registriert und schon bald zu haben ist: „Unser Touchwheel“, sagt Hamberger und fährt mit der Fingerkuppe über das Rädchen zur Auswahl von Navigationszielen auf der Mittelkonsole. Dessen Oberfläche enthält ein Sensorfeld, das Handschriften erkennen kann und so das lästige Scrollen durchs Alphabet überflüssig macht. Im Frühjahr wird das Touchwheel im neuen Audi A3 in Serie gehen.

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