Koeps Kino Außenseiter-Dramen und düstere DDR-Vergangenheit

Ein leichtes Mädchen

 Kommentarbild, Philipp Koep

Kommentarbild, Philipp Koep

Foto: Judith Michaelis

Für Sofia ist das Leben ein unsentimentales Geschäft: Um auf den Yachten der Reichen an der Cote d’Azur mitfeiern zu können, bietet sie ihren Körper als Gegenleistung. Diese Form der „Life-Style-Prostitution“ schildert der Film von Rebecca Zlotkowski nüchtern und ohne moralischen Vorwurf, und dennoch beschleicht den Zuschauer Angst um die junge Frau und Ekel vor den zynischen Jet-Set-Freiern. Hauptdarstellerin Zahia Dehar kennt sich im Milieu aus, sie war als 17-Jährige die Zentralfigur eines (folgenlosen) Skandals, als einige prominente Spieler des französischen Fußball-Nationalteams mit ihr Sex hatten.

Geschickt wählt Zlotkowski jedoch nicht Sofia als Zentralperspektive, sondern die 16-jährige Naima, die diesen Marina-Strich neugierig fasziniert, aber doch distanziert betrachtet. Auch sie lebt in beengten Verhältnissen in Cannes, doch die kleine Wohnung würde sie nicht gegen die protzigen Yacht-Lounges in Champagner-Laune tauschen.

Vorpremiere am Mo. um 19 Uhr im Atelier (frz. Original mit Untertiteln)

Der Honiggarten

Außenseiter-Melodram. In einem schottischen Provinzstädtchen hat sich eine Menge Elend angesammelt: Seit Lydia von ihrem rücksichtslosen Ehemann Robert verlassen wurde, muss sie sich mühsam als Alleinerziehende durchschlagen. Für ihren schwächlichen Sohn Charlie hat sie kaum Zeit, weil sie als Fabrikarbeiterin schuften muss, und der „vaterlose“ Junge wird in der Schule gemobbt. Als die Ärztin Jean Parker in ihre Heimatstadt zurückkehrt und dort eine Praxis eröffnet, zeigt sie ihrem Patienten Charlie mit der Bienenzucht ein faszinierendes Hobby und eine Gegenwelt zum tristen Opfer-Alltag. Dann verlieren Lydia und Charlie ihre Wohnung. Darauf bietet die Ärztin den beiden ihre Wohnung als Bleibe an. Bald kommen sich die einsame Lydia und Jean näher und der Kleinstadtskandal ist perfekt.

25 Jahre nach dem legendären Kinoflop mit der Computerspielverfilmung „Super Mario Bros.“ wagt die ehemalige Musikvideo-Regisseurin Annabel Jankel die Adaptation des Romanbestsellers von Fiona Shaw. Doch die atmosphärisch stimmige Schilderung der repressiven Enge der 50er-Jahre-Provinzwelt kippt schließlich in dramaturgische Effekthascherei mit Klischeebildern.

Cinema, tgl. 16.45 u.19 Uhr, Mo. nur 17.45 Uhr, am So. um 19 Uhr im engl. OmU

Und der Zukunft zugewandt

Die DDR, das war nicht nur Mauer, Stasi und Doping, so lautet die Prämisse der Innensicht des in der DDR aufgewachsenen Regisseurs Bernd Böhlich („Bis zum Horizont, dann links“). Doch statt der ostalgischen Perspektive auf ein sozialistisches Idyll, nimmt der Film ein schweres Kapitel des deutschen Kommunismus in den Blick.

1938 ging Antonia Berger (Alexandra Maria Lara) mit der kommunistischen Kapelle „Kolonne Links“ in die Sowjetunion, um für den Sieg des Sozialismus zu kämpfen. Doch die deutschen Agitprop-Künstler haben einen schlechten Zeitpunkt gewählt. Sie geraten ins Räderwerk des Stalinismus und werden in ein sibirisches Straflager geschickt. Nur Antonia überlebt mit ihrer kleinen Tochter die Strapazen des Gulags. 1952 kommt sie zurück in die DDR, wo man ihr ein infames Angebot macht: Man will ihr helfen, aber nur, wenn sie über ihre Zeit in der Sowjetunion schweigt. Immer noch überzeugt vom Kommunismus und voller Hoffnung auf eine sozialistische Zukunft lässt sie sich auf den Deal ein.

Böhlichs Film bietet den Blick auf ein selten behandeltes Thema deutscher Geschichte, dafür wählt er allerdings eine filmisch allzu konventionelle Form des TV-Historiendramas.

Metropol, tgl. 16.45 u. 19 Uhr, Mo. nur 17.30 Uhr

Petting statt Pershing

Fridays for Future und Hambacher Forst war gestern schon: weltverbesserische Gutmenschen, naive Visionen und sektiererische Spinnerei – und alle haben sie irgendwo Recht. Fast zwei Generationen nach der „Alternativen“ Revolution kann man nun über Friedensbewegung, Öko-Propheten, Sponti-Aktivismus, Norweger-Pullis und feministische Verrenkungen schmunzeln – zumindest, wenn man dabei gewesen ist.

In der hessischen Provinz kämpft die dickliche Ursula ihren eigenen Kampf für eine lebenswerte Zukunft. Klar, in Mutlangen wird gegen die Pershing-Nachrüstung demonstriert, aber auch der Klassencasanova muss als Macho sein Fett wegkriegen, schließlich hat er Ursula nicht nur abgewiesen, sondern auch noch als Obelix beleidigt. Und dann kommt noch der neue Lehrer Siggi mit seinen alternativen Heilsbotschaften in die gereizte Kleinstadtwelt. Das Erwachsenwerden ist eine Odyssee. Eine spaßige Provinz-Posse von Petra Lüschow mit Deja-Vu-Effekt und aktuellem Wiedererkennungswert.

Bambi, tgl. 16.45 Uhr

Diego Maradona

Kleines, dickes Fußballgott. Er war der Lionel Messi seiner Epoche – nur ohne einen Christiano Ronaldo als Konkurrenten. Nach dem grandiosen Winehouse-Porträt „Amy“ widmet sich der britische Dokumentarfilmer Asif Kapadia nun einem weiteren Star zwischen Himmel und Hölle des Ruhms.

1960 in einfachen Verhältnissen geboren, stieg Maradona in den 70ern vom Straßenfußballer zum Profi auf und gab als 16-Jähriger sein Debüt in der argentinischen Nationalmannschaft. In den 80er Jahren war einer der erfolgreichsten Fußballer und wurde neben Pele zum Jahrhundertfußballer gewählt. Doch seine sensationellen Auftritte waren von Skandalen, wie der berühmt-berüchtigten „Hand Gottes“ und später Doping und Drogen überschattet. Als (erfolgloser) Nationaltrainer demontierte Maradona fleißig sein eigenes Denkmal...

Das Biopic von Kapadia lotet mit z.T. unbekanntem Videomaterial die Höhen und Tiefen dieser atemberaubenden Berg- und Talfahrt aus.

Cinema, Do. - Sa. 21.15 Uhr (engl. OmU), So. 14.15 Uhr (dt. eingesprochene Kommentare)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort