Interview SPD-Politiker Michael Groß: „Ich würde dasselbe wieder machen“

Berlin · Der SPD-Politiker Michael Groß über seinen Brandbrief gegen die ehemalige SPD-Chefin Andrea Nahles, der den Rücktritt einleitete.

 Nach zwei Wahlniederlagen ist Andrea Nahles als SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende zurückgetreten. Ins Rollen brachte dies ein Brief des Recklinghäuser Bundestagsabgeordneten Michael Groß,

Nach zwei Wahlniederlagen ist Andrea Nahles als SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende zurückgetreten. Ins Rollen brachte dies ein Brief des Recklinghäuser Bundestagsabgeordneten Michael Groß,

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

. Am 27. Mai, nach der für die SPD verheerenden Europawahl, forderte der SPD-Abgeordnete Michael Groß in einem Brief eine Sondersitzung der Bundestagsfraktion, um zu klären, ob Andrea Nahles noch genug Vertrauen genoss. Das führte kurz darauf zum Rücktritt der Partei- und Fraktionsvorsitzenden. Unser Korrespondent Werner Kolhoff  fragte den 63-jährigen Parlamentarier aus Recklinghausen, wie er das Geschehen im Rückblick sieht.

Herr Groß, haben Sie damit gerechnet, dass Ihr Brief solche Folgen haben würde?

Michael Groß: Nein, natürlich nicht. Für mich war es etwas ganz Normales: Wenn man eine Wahl verliert, setzt man sich zusammen und bespricht die Konsequenzen und geht nicht einfach so darüber hinweg.

Sie wollten Andrea Nahles nicht direkt weghaben?

Groß: Nein. Ich bin zwar nicht ihr glühendster Anhänger gewesen. Aber mir ging es wirklich darum, wie es weitergeht. Die Niederlagen bei der Europawahl und bei der Bremen-Wahl waren dramatisch. Da muss man sich Gedanken machen: Stehen Partei und Fraktion noch hinter der Vorsitzenden? Und wie muss man sich aufstellen? Das ist wie im Fußball, da stellt sich irgendwann auch die Trainerfrage, wenn man immer verliert.

Hinterher wurde viel über den Umgang miteinander diskutiert. Warum haben Sie den Brief nicht intern gehalten?

Groß: Weil ich gefragt worden bin, was wir angesichts der Niederlagen machen. Und da habe ich gesagt, dass ich diesen Brief geschrieben hätte. Es ist nicht die Frage, warum dieses Schreiben öffentlich wurde, sondern die Frage ist, warum Andrea Nahles auf das Wahlergebnis an jenem Montag zunächst praktisch nicht reagiert hat.

Offenbar hat Andrea Nahles gedacht, es sei ein Brief aller Ruhrgebiets-Abgeordneten. Sie hat deswegen sofort ein Vorziehen der Fraktionsvorsitzenden-Wahl verlangt. War das ein Irrtum?

Groß: Ich habe bewusst als Michael Groß geschrieben und die Funktion des Sprechers der Ruhrgebietsabgeordneten aus dem Briefkopf herausgenommen. Aber klar: Ich weiß natürlich, wie im Ruhrgebiet gedacht wird und wie dort über die Wahlergebnisse diskutiert wurde.

Also hat Andrea Nahles überreagiert?

Groß: Es gab ja auch in den Medien eine kritische Diskussion über sie. Und was in den anderen Gremien, etwa im Parteivorstand, gesagt wurde, weiß ich nicht. Mein Brief war sicher nicht der einzige Faktor.

Gleichwohl: Fühlt man sich da hinterher ein bisschen wie das Kind, das mit dem Feuer gespielt hat, und plötzlich brennt das ganze Haus?

Groß: Nein, überhaupt nicht. Das werde ich oft gefragt. Ich ruhe in mir selbst. Ich habe ganz logische Dinge gefordert.

Sie würden es also wieder machen?

Groß: Ja, ich würde dasselbe wieder machen.

Sind Sie denn letztendlich zufrieden mit dem Ausgang der ganzen Sache: Rolf Mützenich ist jetzt Fraktionsvorsitzender, und um den Parteivorsitz gab es eine Urwahl, aus der Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken als Sieger hervorgegangen sind.

Groß: Mit Rolf Mützenich bin ich sehr zufrieden. Er ist sehr kompetent und wirkt integrierend. Was die Partei angeht, kann man sich streiten. Wir wollten mit der Urwahl ja eine Mobilisierung bewirken, aber 70 Prozent der Mitglieder haben die beiden nicht gewählt. Man wird sehen. Die inhaltlichen Diskussionen auf dem Parteitag waren sehr gut.

Werden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken das Jahr 2020 überstehen?

Groß: Beide müssen sich beweisen. Beide sind mit Mehrheit der abgegebenen Stimmen gewählt worden. Es geht nicht um Groko ja oder nein. Wir müssen die Lebenssituation der Menschen verbessern. Wir, die SPD, müssen Vorbild im Alltag sein und sind die Lobby für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.

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