Ex-SPD-Chef Kurt Beck „Mein Rat: Nicht von der Hektik treiben lassen“

Berlin · Ex-SPD-Chef Kurt Beck über seinen Rat an die neuen Vorsitzenden und die Lage seiner Partei nach der Koalitions-Debatte.

 Bundesaußenminister Heiko Maas (links) und Arbeitsminister Hubertus Heil halten als Delegierte bei einer Abstimmung auf dem Parteitag. Die SPD hat festgezurrt, was sie erreichen will.

Bundesaußenminister Heiko Maas (links) und Arbeitsminister Hubertus Heil halten als Delegierte bei einer Abstimmung auf dem Parteitag. Die SPD hat festgezurrt, was sie erreichen will.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Zu den vielen Parteivorsitzenden, die die SPD schon verschlissen hat, gehört auch Kurt Beck, langjähriger Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz. Er ist nun Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung und verfolgte das Geschehen auf dem Parteitag in Berlin als Gast. Wir fragten nach der Bilanz des 70-Jährigen.

Herr Beck, die erwartete Konfrontation zwischen Groko-Gegnern und Befürwortern ist beim SPD-Parteitag ausgeblieben. Sind Sie erleichtert?

Kurt Beck: Ja. Meine Besorgnis war vorher groß, dass sich die Spannungen hochschaukeln könnten, und dann kann so ein Parteitag zu einer rein emotionalen Angelegenheit ausarten. Das ist zum Glück nicht eingetreten.

Ist die Groko-Debatte in der SPD damit beendet?

Beck: Sie ist so kanalisiert, dass man damit vernünftig umgehen kann. Wir sind jetzt wieder auf dem Level, das ja in der Koalition auch vereinbart ist: Man guckt zur Halbzeit, was erreicht ist, und man diskutiert, welche Aufgaben man noch angehen muss. Darüber muss man vernünftig reden können. Wenn die Union sich da sperren würde, würde ich es in keiner Weise verstehen. Die Union selbst hat ja auch Themen, über die sie reden will.

Wo erwarten Sie ein Entgegenkommen der Union?

Beck: Das ist nicht mein Punkt. Es geht um Dinge, die schlicht und einfach auf der Tagesordnung stehen. Dass das Klimapaket nachjustiert werden muss, sieht doch jeder. Außerdem muss sich die Koalition mit den großen internationalen Fragen beschäftigen, denn Deutschland wird nächstes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft haben und im UN-Sicherheitsrat eine wichtige Rolle spielen.

Geht es auch um soziale Themen?

Beck: Ja natürlich. Nehmen Sie die Wohnungspolitik. Das brennt den Menschen in vielen Städten doch auf den Nägeln, auch CDU-Wählern. Außerdem muss man die zunehmende Ungleichheit endlich angehen. Ich weiß, dass so etwas wie eine Vermögenssteuer mit der Union nicht geht. Aber man könnte Spielräume ausloten. So kann man über die Ausweitung der Tarifbindung etwas gegen die ständig sinkende Lohnquote machen. Da kann auch die CDU mitgehen.

Gibt es ein Szenario, wo auch Sie nach den anstehenden Gesprächen sagen würden: Raus aus der großen Koalition?

Beck: Wenn sich ein Theater wiederholen sollte, wie es Horst Seehofer im letzten Jahr aufgeführt hat, wäre das der Punkt für einen klaren Schnitt. Ich hoffe nicht, dass so etwas passiert.

Norbert Walter-Borjans fordert auch Bewegung von Finanzminister Olaf Scholz. Er soll die schwarze Null für ein Investitionsprogramm aufgeben. Teilen Sie das?

Beck: Wir brauchen mehr Investitionen. Aber es darf nicht der Eindruck entstehen, wir würden jetzt finanzpolitisch alle Tore öffnen. Es gibt durchaus andere Möglichkeiten, etwa die Schaffung von Sondervermögen mit klaren Bindungen.

Sie selbst haben ja schmerzhaft erlebt, wie schnell man innerparteilich und öffentlich in die Kritik geraten kann. Was raten sie Walter-Borjans und Esken?

Beck: Wichtig ist, dass sie sich nicht von der Hektik des Berliner Politik- und Nachrichtenbetriebs anstecken lassen. Den Fehler habe ich damals gemacht. Lieber mal nichts sagen, als sich treiben lassen. Und wichtig ist, dass sie sie selber bleiben. Wenn man das nicht ist, weil hinten rum aus den eigenen Reihen über einen geredet wird, wird man unsicher und macht dann wirklich Fehler, so dass ein Teufelskreis entsteht.

Auf dem Parteitag wurden Sie beklatscht, ebenso die abwesende Andrea Nahles. Liebt die SPD gescheiterte Parteivorsitzende mehr als amtierende?

Beck: Dass es auch später noch Anerkennung und Dankbarkeit gibt, ist ja nicht schlecht. Aber ich hoffe doch, dass das Fertigmachen jetzt ein Ende hat. Zu Führung gehört auch das Geführt-werden-wollen. Wir wählen immer Menschen in solche Ämter und nicht Automaten. Das muss jeder wissen.

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