Nachfolge in der CDU Angela Merkel weiß, wie Parteivorsitzende enden

Berlin · Kein Vorsitzender der Bundes-CDU hat es geschafft, seine Nachfolge zu bestimmen. Angela Merkel scheint noch das Datum ihres Abtritts bestimmen zu wollen - eine Analyse.

 Angela Merkel, CDU-Vorsitzende seit 2000, will noch einmal antreten.

Angela Merkel, CDU-Vorsitzende seit 2000, will noch einmal antreten.

Foto: dpa/Silas Stein

Mit zwei Interview-Sätzen, am vergangenen Wochenende gegenüber dem Hessischen Rundfunk geäußert, hat Angela Merkel Tür und Tor für Spekulationen über ihre Zukunft als CDU-Bundesvorsitzende geöffnet: „Alle Versuche, dass diejenigen, die heute oder in der Vergangenheit tätig waren, ihre Nachfolge bestimmen wollen, sind immer total schiefgegangen. Und das ist auch richtig so.“ Bis zum Schließen der Wahllokale in Hessen am Sonntag galt: Merkel tritt beim CDU-Bundesparteitag Anfang Dezember noch einmal als Bundesvorsitzende an. Am Montag soll sie auf einer Sitzung des Parteipräsidiums angekündigt haben, nicht mehr für den Parteivorsitz antreten zu wollen. Sie scheint noch das Datum ihres Abtritts bestimmen zu wollen. Das ist nicht allen ihrer Vorgänger reibungslos gelungen:

Konrad Adenauer, CDU-Vorsitzender 1950-1966

Der Gründervater der Bundesrepublik klebte am Amt des Bundeskanzlers und des Parteivorsitzes, während die Partei auf einen Neubeginn drängte. Der zog sich hin. Adenauers erste öffentliche Niederlage: Am 23. April 1963 nominierte die CDU/CSU-Fraktion (mit gut 70 Prozent der Stimmen) Ludwig Erhard als seinen Nachfolger – den Mann, den Adenauer unbedingt hatte verhindern wollen. Bis Ende 1965 hält Adenauer noch am Parteivorsitz fest, im Frühjahr 1966 wird er in den Ehrenvorsitz verabschiedet.

 Konrad Adenauer, CDU-Vorsitzender von 1950 bis 1966.

Konrad Adenauer, CDU-Vorsitzender von 1950 bis 1966.

Foto: dpa/Roland Witschel

Ludwig Erhard, CDU-Vorsitzender 1966-1967

Der Mann, den Adenauer unbedingt verhindern wollte, macht als Bundeskanzler bei weitem nicht die glückliche Figur, die man vom Vater des Wirtschaftswunders erwartet hätte. Und startet mit einem strategischen Fehler: Da er als Nachfolger Adenauers ohne Bundestagswahl ins Amt kommt, verzichtet er auf den Parteivorsitz – er will beweisen, dass er der Kanzler aller Deutschen sein kann. Viel zu spät übernimmt Erhard zur Stabilisierung seiner Kanzlerschaft den Vorsitz. Vergeblich. Im Oktober 1966 treten die FDP-Minister zurück, aber eine große Koalition lehnt er ab. Am 30. November 1966 tritt der Kanzler zurück; die Schamfrist bis zur Niederlegung des Parteivorsitzes dauert bis Mai 1967.

Kurt Georg Kiesinger, CDU-Vorsitzender 1967-1971

 Kurt Georg Kiesinger, CDU-Vorsitzender von 1967 bis 1971.

Kurt Georg Kiesinger, CDU-Vorsitzender von 1967 bis 1971.

Foto: picture alliance / Alfred Hennig/Alfred Hennig

Kiesinger, der heute als eine zu vernachlässigende Übergangs-Erscheinung der Zwischenzeit nach der Ära Konrad Adenauer und vor der sozial-liberalen Koalition gilt, war während seiner Amtszeit einer der beliebtesten Kanzler der Bundesrepublik. Für den „vergessenen Kanzler“ war als ehemaliges NSDAP-Mitglied in einer Zeit rapiden gesellschaftlichen Wandels einfach kein Platz mehr. Vor allem brachte er weder Fraktion noch Partei unter Kontrolle, mit dem Ende seiner Kanzlerschaft war seine politische Karriere zuende (obwohl er bis 1980 im Bundestag blieb).

Rainer Barzel, CDU-Vorsitzender 1971-1973

 Rainer Barzel, CDU-Vorsitzender von 1971 bis 1973.

Rainer Barzel, CDU-Vorsitzender von 1971 bis 1973.

Foto: picture-alliance/ dpa/Egon Steiner

Er war vielleicht der brillanteste Kopf, den die CDU bisher an der Spitze hatte, aber auch ihr größter Polarisierer. Und sowohl privat wie politisch von Schicksalsschlägen verfolgt. In Erinnerung blieben die beiden Misstrauens-Voten, die er als CDU-Fraktionsvorsitzender startete: Am 27. April 1972 wollte er die Kanzlerschaft Willy Brandts beenden, doch die Stasi hatte Stimmen von CDU-Abgeordneten gekauft. Es kommt trotzdem im November zu Neuwahlen – und verliert nicht nur, sie ist erstmals nicht mehr stärkste Fraktion. Barzel will noch in der Wahlnacht hinwerfen, wird aber von der Partei daran gehindert: es gibt (noch) keine echte Alternative. Dieser Alternative verhilft Barzel 1982 mit dem zweiten Misstrauensvortum zur Macht, nachdem er 1973 schon den Parteivorsitz an sie verloren hat: sie heißt Helmut Kohl. Auch das Verhältnis zwischen Barzel und Kohl ist von Rissen geprägt, die nie ganz verheilen. Barzel ist nur einer von vielen Namen auf langen Liste derer, die von Verbündeten zu Opfern Kohls werden.

Helmut Kohl, CDU-Vorsitzender 1973-1998

 Helmut Kohl, CDU-Vorsitzender von 1973 bis 1998.

Helmut Kohl, CDU-Vorsitzender von 1973 bis 1998.

Foto: picture alliance / Michael Jung//Michael Jung

Mit Helmut Kohl übernahm eine Macht-Maschine die CDU und hielt sie über ein Vierteljahrhundert fest im Griff. Über ihn ist alles gesagt. Auch über seinen verpassten Abgang zur rechten Zeit. 

Wolfgang Schäuble, CDU-Vorsitzender 1998-2000

 Wolfgang Schäuble, CDU-Vorsitzender von 1998 bis 2000.

Wolfgang Schäuble, CDU-Vorsitzender von 1998 bis 2000.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Kaum jemand in der bundesdeutschen Spitzenpolitik hat sich buchstäblich unter Einsatz seines Lebens und seiner Gesundheit so sehr für Deutschland abgearbeitet wie Wolfgang Schäuble. Viele Jahre stand Schäuble an der Seite Helmut Kohls, als Chef des Kanzleramtes und Bundesinnenminister. Er war es, der die Arbeit machte, er war es, der den Vertrag zur Deutschen Einheit aushandelte. 1997 hatte Kohl erklärt, Schäuble sei sein Wunschkandidat für das Amt des Bundeskanzlers – ohne es ihn werden zu lassen; ihr Verhältnis endete im Zerwürfnis. Nach Kohls Niederlage 1998 übernimmt Schäuble als Partei- und Fraktionsvorsitzender, aber im November 1999 ist mit dem „Parteispendenskandal“ klar: Er ist nicht der Mann der Zukunft. Am 16. Februar 2000 tritt er zurück und macht Platz für Angela Merkel.

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