Was macht ein geschlossener Kulturort? Wir renovieren und zählen die Tage

Wie einige andere Kulturorte in Wuppertal haben wir das Glück, durch das Programm „Neustart Kultur“ Bundesmittel für pandemiebedingte Investitionen zu erhalten.

 Torsten Krug vom Freien Netzwerk Kultur.

Torsten Krug vom Freien Netzwerk Kultur.

Foto: Fischer, A. (f22)/Fischer, Andreas (f22)

Heute schreibe ich nicht als Soloselbständiger meiner Zunft, sondern als Team-Mitglied eines Kulturvereins, des Insel e.V. Was macht so ein Verein, was macht ein Kulturort wie das Café Ada nach sechseinhalb Monaten „Lockdown light“, in denen keinerlei öffentliches und so gut wie kein internes Zusammenkommen möglich war und ist?

Nun, wie einige andere Kulturorte in Wuppertal haben wir das Glück, durch das Programm „Neustart Kultur“ Bundesmittel für pandemiebedingte Investitionen zu erhalten. Dazu gehören in unserem Fall die Wiederbelebung und damit Renovierung eines separaten Treppenaufgangs zur besseren Steuerung der hoffentlich bald zu erwartenden Publikums-Ströme, die Sanierung unserer sanitären Anlagen (zu oll, zu eng, nicht behindertengerecht) oder die Investition in nachhaltige Veranstaltungstechnik, nicht zuletzt für die digitale Vermittlung. All das – man muss es so sagen – ist ein Segen für jene Kulturorte, die eine solche Unterstützung erhalten und die Chance zur gemeinsamen Arbeit nutzen können.

Gleich neben den Baustellen wird professionell und Corona-konform geprobt: Musik, Theater, Tanz. Ein (Streaming-)Gastspiel von Tanz NRW brachte echtes Live-Feeling in unseren Saal, und die Sehnsucht, dieses mit einem Publikum im Raum zu teilen, wurde handgreiflich. Handelt das Stück „Vibration Celebration“ der Blue Elephant Dance Company doch von einer Feier – der Vibrationen, des Zusammentreffens von Schwingungen und Tönen in einem gemeinsamen Raum.

Ebenfalls wie viele andere Orte haben wir uns in der digitalen Organisation ertüchtigt. Unsere Team-Treffen im Biergarten des Café Ada waren zwar schöner, doch digital sind sie produktiver geworden. Man gewöhnt sich an vieles. Ein Zusammenkommen in kleinen Gruppen, für eine Putz- oder Renovier-Aktion oder aus Gründen der Bauaufsicht wirkt dennoch wie ein Ereignis. Auch wenn die Gesichter nur hinter Masken leuchten.

Klar ist: Wenn es nicht spätestens im Juli wieder mit Tanzkursen, Veranstaltungen, Vermietungen losgehen kann, ist der Wirtschaftsplan hinfällig.

Die Pandemie zwingt zur Improvisation und fördert mitunter erstaunliche Energien zutage. Ein Zitat von Walter Benjamin, das mich durch Bernhard Sander erreichte, fasst es ganz gut zusammen: „In diesen Tagen darf sich niemand auf das versteifen, was er ,kann’. In der Improvisation liegt die Stärke. Alle entscheidenden Schläge werden mit der linken Hand geführt werden.“ Auch wenn Herr Sander „links“ sicherlich als politische Haltung verstanden wissen möchte, meint es auch: mit der (meist) ungelenken Hand, mit der ungeübten.

Der Begriff „Verein“ sagt es schon: Er will Menschen vereinen, Ziel eines Vereins ist letztlich Gemeinschaft. Das geht auch virtuell, und ich kann sagen, dass es mich, und ich denke, auch etliche andere, einigermaßen unbeschadet durch diese Zeit hat kommen lassen.

Das Sinken der Inzidenzzahlen treibt mir Freudentränen in die Augen. Nehme ich die Entwicklung der letzten Tage und Wochen zum Maßstab, könnte diese Zahl Mitte Juni auch in Wuppertal stabil (was bedeutet: fünf Tage in Folge) unter 50 sein. Und das wiederum bedeutet: Veranstaltungen im Innenraum, mit Maske, Abstand und Tests. Ein Wahnsinn – und dennoch ein Glück, im Vergleich zu den letzten Monaten.

Und so sorgen wir vor und zählen die Tage und hoffen darauf, dass Herr Lauterbach wieder mal Recht behält: Der Sommer kann gut werden.

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