Düsseldorf Karneval 2018: Der erste jüdische Mottowagen rollt durch Düsseldorf

Im Kampf gegen Antisemitismus kann auch Humor eine Waffe sein. Erstmals macht eine jüdische Gemeinde mit einem Mottowagen beim Rosenmontagszug in Düsseldorf mit.

Düsseldorf: Karneval 2018: Der erste jüdische Mottowagen rollt durch Düsseldorf
Foto: David Young

Düsseldorf. Auch im Karneval kann man gegen Antisemitismus kämpfen - mit Humor: Erstmals in der Geschichte des Karnevals will sich eine jüdische Gemeinde mit einem Mottowagen an einem Rosenmontagszug beteiligen. Am 12. Februar wird zwischen all den satirisch-politischen Karnevalswagen des Düsseldorfer Zuges ein Wagen besonders auffallen. Die jüdische Gemeinde Düsseldorf schickt den spöttischsten Sohn der Stadt, den Dichter Heinrich Heine (1797-1856), in das närrische Treiben.

 Die jüdische Gemeinde Düsseldorf schickt den spöttischsten Sohn der Stadt, den Dichter Heinrich Heine (1797-1856), in das närrische Treiben.

Die jüdische Gemeinde Düsseldorf schickt den spöttischsten Sohn der Stadt, den Dichter Heinrich Heine (1797-1856), in das närrische Treiben.

Foto: David Young

Niemand in den Karnevalshochburgen oder auch bei den jüdischen Organisationen oder Historikern kann sich erinnern, dass es schon einmal einen jüdischen Mottowagen bei einem Rosenmontagszug gab. Seit der Nazi-Diktatur, die für ihre antisemitische Hetze besonders auch die Karnevalszüge in Köln missbrauchte, schien es undenkbar, dass jüdische Vereine noch einmal die Nähe zu Jecken suchen könnten.

Für den Verwaltungsdirektor der Düsseldorfer Gemeinde, Michael Szentei-Heise, sind Karneval und Kampf gegen Antisemitismus kein Widerspruch. Auch mit Humor kann man zurückschlagen. „Wir haben eine Zeit, in der der Antisemitismus wieder hoffähig wird und von der extrem rechten und der extrem linken Ecke langsam wieder in die Mitte der Gesellschaft wandert“, sagt er. Dagegen müsse ein Zeichen gesetzt werden. „Wir sind ein Teil der Düsseldorfer Stadtgesellschaft. Wir gehören dazu. Und Antisemitismus hat hier nichts zu suchen.“

Um das 35 000 Euro teure närrische Projekt zu finanzieren, hat die Gemeinde eine Spendenaktion gestartet. Die Kamelle, die vom Wagen geworfen werden, sind koscher und vegan. „Da sind keinerlei tierischen Bestandteile drin, keine Gelatine“, sagt Szentei-Heise. Hergestellt werden die koscheren Bonbons in Belgien.

Aber auch im Karneval ist die jüdische Gemeinde vorsichtig. So wie alle jüdischen Institutionen und Gebäude immer besonders bewacht werden, werde es auch „besondere Sicherheitsvorkehrungen“ für den Mottowagen geben. Optisch werde es aber nicht anders aussehen als bei anderen Mottowagen auch, sagt Szentei-Heise.

Tillys Wagen-Entwurf zeigt einen schreibenden Heinrich Heine, mit Kippa und Gebetsschal auf der Düsseldorfer Stadtsilhouette liegend. „Wir feiern den größten jüdischen Sohn unserer Stadt“, ist in großer Schrift zu lesen. Dass Heine vom Judentum zum Protestanismus konvertierte, zu dem er sich nach eigenem Bekunden nur „in lauer, offizieller Weise bekannte“, macht das Thema erst recht pikant. Als getaufter Protestant hoffte er, bessere Chancen im Beruf und in der Gesellschaft zu haben.

Mit dem ersten jüdischen Mottowagen wird in der Geschichte des Karnevals ein neues Kapitel aufgeschlagen. Für Köln etwa sei seit dem 19. Jahrhundert nachzuweisen, dass jüdische Bürger Mitglieder der Karnevalsgesellschaften waren, sagt der Historiker Marcus Leifeld. Eine feste Größe im Kölner Karneval war seit 1919 etwa der jüdische Karnevalist Hans Tobar. 1922 habe sich sogar ein jüdischer Karnevalsverein, der „Kleine Kölner Klub“ (KKK) gegründet, sagt Leifeld. Schon ab 1923 aber seien jüdische Karnevalisten aus den Traditionsgesellschaften ausgeschlossen worden.

Nun zeichnet sich eine kleine Renaissance des jüdischen Karnevals ab. So gründe sich in Köln zur Zeit eine jüdische Karnevalsgruppe, sagt Tanja Holthaus vom Festkomitee Kölner Karneval.

Die Reaktionen der jüdischen Gemeinden auf den Düsseldorfer Heine-Wagen waren laut Szentei-Heise allerdings „ganz individuell“. Die Krefelder zum Beispiel fanden die Idee gut und spendeten sogar, eine andere Gemeinde in der Region zeigte gar kein Verständnis. Insgesamt aber beobachtet die jüdische Gemeinschaft den Karnevalseinsatz der Düsseldorfer wohlwollend bis amüsiert.

Szentei-Heise sagt, er wolle „mit einem Augenzwinkern und einem Schmunzeln“ auf ernsthafte Probleme hinweisen. „Man kann ständig etwas in der Zeitung bedauern oder zetern, man kann aber auch mit einem Mottowagen durch den Düsseldorfer Karnevalszug fahren.“

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