ITB Tourismus: Der Niederrhein ist überall

Die Regionen zwischen Rhein und Wupper suchen sich ihre Nischen in der wachsenden NRW-Tourismusbranche.

ITB: Tourismus: Der Niederrhein ist überall
Foto: Ulli Tückmantel

Berlin. In der Halle 8.2 der Berliner Messe hat Nordrhein-Westfalen zwei Herzen: Die Städte Düsseldorf, Köln und Bonn mit einem prächtigen Gemeinschaftsstand in der ersten Hallenhälfte und der Rest des Landes am NRW-Stand dahinter. Drumherum sortieren sich Regionen und Themen. Wer auf der Internationalen Tourismus-Börse (ITB), der größten Reisemesse der Welt, den Niederrhein sucht, gerät ins Staunen: Neuss und Mönchengladbach gehören schon mal nicht dazu.

Sowohl der Rhein-Kreis als auch Mönchengladbach sind wie im wirklichen Leben seit Jahren mit eigenen Ständen in der Köln-Düsseldorfer Umgebungszone vertreten. Während der Rhein-Kreis in der Nachbarschaft zum „Neanderland“ des Kreises Mettmann dort praktisch gar nicht auffällt, hat Gladbach seine größte Sehenswürdigkeit am Start: „Jünter“, das Borussia-Maskottchen. Das wirbt aber nicht für die Fohlen-Elf, sondern für Deutschlands älteste Trabrennbahn, die am 30. und 31. Mai ihr 125-jähriges Bestehen feiert. Das ist, wenn auch Mönchengladbachs Marketing-Chef Peter Schlipköter die Bedeutsamkeit in feierlichen Worten lobt, ein bisschen dünn für einen Solo-Auftritt auf der ITB, wo die Konkurrenz nicht aus der Korschenbroicher Pfingst-Kirmes besteht.

Der weit größere Teil des Niederrheins mit den Kreisen Heinsberg, Kleve, Wesel und Viersen wird von der gemeinsamen Niederrhein Tourismus GmbH am NRW-Stand vertreten. Neben Radfahrern und Reisemobilisten hat Geschäftsführerin Martina Baumgärtner eine neue Zielgruppe ins Auge gefasst, die für Kurzurlaube im Flachland begeistert werden soll: „Wanderer. Wir haben mit dem Galgenvenn in Nettetal den zweit-bedeutendsten Wanderweg Deutschlands im Angebot“, sagt Baumgärtner, Geschäftsführerin von Niederrhein Tourismus. Zu insgesamt neun zertifizierten Premium-Wanderwegen gibt es bei Niederrhein-Tourismus buchbare Angebote. Der Vorteil für die Region: „Wir verlängern damit die Saison. Wandern kann man am Niederrhein bis in die Monate, in denen Radfahren nicht mehr so viel Spaß macht.“

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Foto: Ulli Tückmantel

Zum stabilen Tourismus-Plus für den nördlichen Niederrhein hat sich längst der Airport Weeze entwickelt, der trotz der Luftverkehrssteuer weiter auch bei niederländischen Passagieren hoch im Kurs steht. 1,9 Millionen Passagiere starten und landen dort in diesem Jahr von und zu 45 europäischen Zielen. Der Airport wiederum zieht andere touristische Anbieter in die Region. So hat inzwischen der Reise-Shoppingsender Sonnenklar.TV aus der FTI-Gruppe sein Herz für Weeze und Umgebung entdeckt und veranstaltet seine jährliche Gala „Goldene Sonne“ mit 1000 zahlenden Gästen im „Kernwasser Wunderland“, dem niemals vollendeten Atomkraftwerk bei Kalkar.

Die gemeinsame GmbH der niederrheinischen Kreise hat gerade mit „Local Emotions“ eine auf drei Jahre angelegte Image-Kampagne gestartet, in der Niederrheiner ihre Lieblingsplätze zeigen. Das geballte gemeinsame Vorgehen zeigt Erfolge: Im vergangenen Jahr hat die Zahl der Übernachtungen im Bereich der Niederrhein-Partner erneut zugelegt; plus 4,2 Prozent auf nun mehr als zwei Millionen. Für die „Local Emotions“-Kampagne kann sich auch Ulrich Cloos, Leiter des Krefelder Stadtmarketings, erwärmen: „Natürlich sind wir Niederrhein, auch wenn der Stadtrat vor Jahren mal etwas anderes beschlossen hat. Ich kann mir aber vorstellen, dass unser neuer Oberbürgermeister Frank Meyer über eine Reintegration nachdenken würde.“

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Foto: Ulli Tückmantel

Bislang wirbt Cloos mit seiner Stellvertreterin Claire Neidhardt an einem separaten Stand neben den Niederrheinern für, nun ja, die urbane Variante des Niederrheins jenseits von schwarzbunten Kühen und Kopfweiden. Für das Selbstbewusstsein hat Krefeld gerade erst einen „Urbana-Award“ auf der Düsseldorfer Kunstmesse eingeheimst und setzt in Berlin ganz auf seine großartigen Mies-van-der-Rohe-Bauten, die im „Bauhaus100“-Projekt von Land und Tourismus NRW eine besondere Rolle spielen. Schließlich zog Krefeld wie keine andere Stadt im Westen Mitte der 1920er Jahre Lehrer und Absolventen des Bauhauses an, die die Bauten der Textilindustrie am Niederrhein prägten. Und natürlich wären die Chancen noch größer, wenn Krefeld seine Stärken im Verein mit den anderen Niederrheinern ausspielte, räumt Cloos ein.

Wie das aussehen könnte, ist wenige Meter weiter am Gemeinschaftsstand des Städtedreiecks Wuppertal, Remscheid und Solingen zu besichtigen, die in Berlin seit Jahren als „Die Bergischen Drei“ auftreten. Das Bergische Städtedreieck hat es im Vergleich schwerer: Während der gesamte (geografische) Niederrhein inklusive der Großstädte 2017 um rund zwei Prozent auf mehr als 4,4 Millionen Übernachtungen zulegte (in Düsseldorf und im Kreis Mettmann betrug das Plus städteweise bis zu sieben Prozent, auf jetzt knapp 5,8 Millionen), verlor das Bergische Städtedreieck — nicht zuletzt aufgrund der Behinderungen im Bahnverkehr — zwischen vier und sieben Prozent; übrig blieben rund 817 000 Übernachtungen.

Holger Piwowar, Geschäftsführer des Bergisch Land Tourismus, und Sonja Nordmann vom Solinger Stadtmarketing werben in Berlin vor allem weiter für das Radfahren, nicht zuletzt vor der Kulisse der Müngstener Brücke, die nun mit vier bauähnlichen Großbogenbrücken in Portugal, Frankreich und Italien Weltkulturerbe werden soll.

Vor allem die Bergischen Panorama-Radwege auf den ehemaligen Bahntrassen stoßen weiter auf Interesse. Weil ganz ohne Separatismus aber auch das Bergische nicht auskommt, haben sich die Wuppertaler Kultureinrichtungen mit Skulpturenpark, Historischer Stadthalle, Bühnen und Von der Heydt-Museum auf der anderen Hallenseite niedergelassen, wo der Museumsschwerpunkt mehrerer rheinischer Städte besser wahrgenommen wird.

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