NRW Familienministerin Kampmann: „Mehr sollen von zuhause arbeiten“

Christina Kampmann, Landesministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport, über ein breit angelegtes Ministerium, Väter in Elternzeit, Doping im Sport und Kultur-Baustellen in NRW.

NRW: Familienministerin Kampmann: „Mehr sollen von zuhause arbeiten“
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Frau Ministerin, nach acht Monaten im Amt: Haben Sie Spaß in dieser Landesregierung?

NRW: Familienministerin Kampmann: „Mehr sollen von zuhause arbeiten“
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Christina Kampmann: Es macht mir viel Freude. Natürlich war es nach der Zeit im Bundestag eine Umstellung. Aber ich ziehe eine positive Bilanz für die erste Zeit und habe mir bis zur Wahl am 14. Mai im nächsten Jahr noch einiges vorgenommen. Mein Ministerium ist ja ein breites Feld.

Mancher sagt, Sie haben das Ministerium für „Gedöns“.

Kampmann: Die Zeiten sind eindeutig vorbei. Das würde auch Gerhard Schröder heute nicht mehr sagen. Ein Thema wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist auch ein wirtschaftspolitisch wichtiges Thema geworden. Ich habe im Januar zu einem Familiengipfel eingeladen, bei dem deutlich wurde, dass auch die Unternehmer sehen, dass es nicht mehr nur um ein gutes Gehalt und einen sicheren Arbeitsplatz geht, sondern viele nach anderen Kategorien entscheiden: flexible Arbeitszeiten, Wege zur Arbeit, Angebote wie Homeoffice.

Ihr Lieblingsthema?

Kampmann: Ein Schwerpunkt. Wenn man mich ankündigt, höre ich meistens: Familienministerin. Familien sind für die Zukunft der Gesellschaft wichtig. Wenn wir da eine gute Politik machen, haben wir zum Beispiel — wie jetzt gerade wieder — eine höhere Geburtenrate. Wir haben einen Familienbericht vorgelegt, in dem Themen wie Wohnraum und Geld eine Rolle spielen, aber den Meisten ist Zeit das Wichtigste. Und das hat mit Arbeit zu tun. Deshalb habe ich gesagt: Das muss jetzt der Schwerpunkt über 2017 hinaus sein.

Wie sehen auf diesem Gebiet konkrete Pläne aus?

Kampmann: Wir haben uns beim Familiengipfel auf Ziele geeinigt. Eines ist das Thema Homeoffice. Zwölf Prozent der Menschen arbeiten von zuhause, möglich wären 42 Prozent. Ein Riesenpotenzial. 4,4 Millionen Menschen in NRW pendeln jeden Tag. Wenn die nur ein oder zwei Tage von zuhause aus arbeiteten, dann können sie Fahrzeit im Land der Pendler sparen und hätten mehr Zeit für Familie. Klar ist aber auch: Homeoffice braucht Regeln, das darf nicht heißen, dass die Menschen zwar zuhause, aber dann viel mehr arbeiten. Auch das Thema Führen in Teilzeit ist ein großes Thema, die Unternehmen müssen weg von einer Präsenzkultur hin zur Vertrauenskultur. Das Thema flexiblere Arbeitszeiten ist ohnehin Dauerbrenner. Ich möchte das auch für die kleineren Unternehmen anschieben.

Können auch Väter von diesen Modellen immer mehr profitieren?

Kampmann: Väter wünschen sich auch, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen, befürchten aber zu oft Karriere-Rückschritte, wenn sie die Elternzeit nutzen. In NRW machen das ein Viertel aller Väter, 70 Prozent davon nehmen nur zwei Monate. Das ist nicht gleichberechtigt. Deswegen starten wir vor der Sommerpause eine Väter-Kampagne.

Familien beklagen, dass sie keine Kitaplätze bekommen oder der Ganztag in Schulen schlecht ausgebaut ist.

Kampmann: Jedes Kind in NRW hat seit 2013 ab dem vollendeten ersten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Viele haben damals befürchtet, es seien zu wenig Plätze da, die Klagewelle ist aber ausgeblieben. Trotzdem müssen wir das weiter ausbauen, es gibt mehr Geburten, und ich möchte unbedingt, dass die Flüchtlingskinder früh in die Kita kommen. Wir haben für dieses Jahr eine Steigerung von 18 500 Kita-Plätzen gemeldet bekommen. Und wir haben ein Investitionsprogramm von 100 Millionen Euro aufgesetzt. Da sind wir auf gutem Weg.

Wenn die Kinder in die Schule kommen, wird es wieder schwieriger für Eltern.

Kampmann: Das bekomme ich häufig gespiegelt. Viele sagen mir: In der Kita läuft es gut, wenn das Kind aber in die Grundschule kommt, muss man die Betreuung anders regeln, oder aber ein Elternteil muss wieder zurück zur Teilzeitarbeit. Daran müssen wir noch stärker arbeiten. Wir sind in der Landesregierung hierüber im Gespräch.

In welcher Verantwortung liegen die schlechten Umfragen für die SPD?

Kampmann: Im Land liegen wir bei 31 Prozent, da ist es sehr stabil. Und: Umfragewerte sind Wasserstandsmeldungen. Häufig sind die Ergebnisse bei uns besser, als das vorausgesagt war. Für mich ist die SPD der treibende Motor in dieser großen Koalition. Mindestlohn, Mietpreisbremse, Rente mit 63, Quote für Frauen in Aufsichtsräten, das Thema Entgeltgleichheit, was wir noch vorhaben, die Regulierung der Leih- und Zeitarbeit — das sind alles Vorhaben, die von der SPD angestoßen wurden. Deshalb bin ich mir sicher: Wenn die Menschen am Ende Bilanz ziehen, dann werden sie sehen, dass diese wichtigen Dinge, die ihr Leben verbessert haben, die SPD erreicht hat.

Hat die SPD Ihre Erfolge dann nicht kommuniziert?

Kampmann: Doch. Aber viele Menschen haben vor Wahlen noch einmal einen anderen Blick auf Politik.Wenn sie dann bilanzieren, werden sie diese Ergebnisse wahrnehmen. Der Mindestlohn etwa ist größte Errungenschaft in dieser Legislaturperiode. Ich kenne niemanden, der geglaubt hätte, dass die Union den mit uns umsetzen wird. Hat sie aber.

Sind Sie von SPD-Parteichef Sigmar Gabriel überzeugt?

Kampmann: Ja. Ich glaube, dass Vieles von dem, was wir erreicht haben, auch persönlich mit ihm zu tun hat. Er war an vielen Stellen treibende Kraft.

Treibende Kraft waren NRW-Sportler zuletzt immer bei Olympia. Bleibt das so?

Kampmann: Wir haben in London 2012 38 Prozent der deutschen Medaillen nach NRW geholt, das wollen wir auch dieses Mal schaffen. Und ich bin zuversichtlich, dass das gelingt.

Sind Ihnen Medaillen noch wichtig angesichts überbordender Dopingproblematik?

Kampmann: Ich schaue nicht nur auf Medaillen, aber natürlich spiegeln Erfolge auch immer den Wert der Sportpolitik und der geschaffenen Infrastruktur. Und: Wir müssen die Dopingproblematik entschieden angehen, ich erwarte auch von allen Sportfunktionären, dass sie sich da ehrlich machen. Und dass man nach Vorfällen Strukturen schafft, die das danach deutlich erschweren. An vielen Stellen haben das Sportfunktionäre eingesehen.

Sind Sie sicher, dass NRW Sportland Nummer eins bleibt? Bayer macht in Sachen Sportförderung immer weniger, die Einnahmen Westlottos machen Sorge, und der Bund als pro forma Arbeitgeber für Sportler fällt auch immer öfter aus?

Kampmann: Ich habe gerade den 777. Bewegungskindergarten eröffnet, außerdem die 18. Sportschule in NRW. Wir kümmern uns darum, dass Sportlerinnen und Sportler auch nach der Karriere berufliche Chancen haben. Wir haben die Sportförderung NRW als Leistungssportförderung. Und wir haben die große Leistungssportreform, die jetzt auf Bundesebene diskutiert wird — und an der wir mitwirken. Was wollen Sie mehr? Es wird sogar noch besser, weil immer mehr Unternehmen da sind, die gute Erfahrungen machen, weil Sportler bei ihnen als leistungsbereit gelten.

Wenn Sie mal die großen Häuser in den Städten sehen: Auf welchem kulturellen Sektor ist NRW noch führend? Da kann man sagen, das sei kommunale Aufgabe. Aber daran kann man doch als Land nicht vorbeisehen.

Kampmann: Machen wir ja auch nicht. Die Kommunen übernehmen 80 Prozent der Kulturförderung in NRW. Bei uns findet Kultur nicht nur in großen Städten statt, sondern auch im ländlichen Raum statt. Das sehe ich als Stärke. Und: Wir haben gerade die Intendanz für die Ruhr-Triennale 2018 bis 2020 vorgestellt und haben mit Stefanie Carp und Christoph Marthaler zwei der profiliertesten europäischen Theatermacher gewinnen können. Ich mache mir da weniger Sorgen.

Einige Standards sind aber gefährdet: Das Kölner Theater versinkt in einer Baustelle, das Düsseldorfer Schauspielhaus hat Probleme. Muss da die Ministerin nicht mal in ein Rathaus einmarschieren und sagen: Freunde, jetzt gibt es mal Hilfe?

Kampmann: In Köln ist es eine lokale Situation, in Düsseldorf haben wir eine Beteiligung, da haben Sie Recht, das hat mit der Baustelle am Kö-Bogen zu tun. Ich finde aber, dass Wilfried Schulz trotzdem ein gutes Programm vorgelegt hat.

Wie geht es denn in der Nachfolge von Marion Ackermann weiter, die die NRW-Kunstsammlung in Richtung Dresden verlässt?

Kampmann: Sie hat die Kunstsammlung international gut positioniert, ich bedauere, dass sie geht. Wir rufen zeitnah eine Findungskommission ins Leben und wollen auch zeitnah eine Nachfolge treffen.

Der WDR hat zwei Bilder von Max Beckmann und Ernst Ludwig Kirchner verhökert, Ihre Vorgängerin Ute Schäfer hat das noch verhindert wollen. Sie nicht. Finden Sie die Bilder doof?

Kampmann: Nein, darum geht es gar nicht. Der Sachverständigenausschuss hat entschieden, dass diese beiden Werke, um die es wesentlich ging, kein national wertvolles Kulturgut darstellen, deshalb hatten wir auch keine rechtliche Handhabe, das Verfahren zu stoppen. Das war die Entscheidung des WDR, ich bedauere das.

Wie wird sich das Land am Pina-Bausch-Zentrum in Wuppertal beteiligen ?

Kampmann: Erstmal geht es da jetzt um die Machbarkeitsstudie, der Bund hat beschlossen, sich mit 30 Millionen Euro beteiligen zu wollen, wir werden uns als Land auch voraussichtlich mit etwa zwölf Millionen Euro beteiligen. Aber wir warten diese Studie jetzt ab.

Und die klare Zukunftsvision? Die Menschen wollen konkret wissen, was Sie noch erreichen wollen.

Kampmann: Sie haben mich ja noch nicht gefragt. Das größte Projekt für mich ist es, ein neues Kindergartengesetz zu schaffen und das jetzige Kinderbildungsgesetz abzuschaffen. Bis Dezember dieses Jahres wollen wir die ersten Eckpunkte vorstellen und in der nächsten Legislaturperiode ein neues Gesetz schaffen, das die Finanzierungsstruktur auf den Prüfstand stellt, die bei Schwarz-Gelb von Anfang an defizitär war. Wir wollen dann über Personal und Öffnungszeiten reden. Das ist ein großes Projekt, weil unglaublich viele Akteure eingebunden sind.

Und in Sachen Kultur?

Kampmann: Es geht nicht nur um Geld und Personalien, es geht auch darum, gesamtgesellschaftliche Diskussionen anzustoßen. Nach den Sommerferien veröffentlichen wir den Kulturförderplan, darin gibt es drei große Schwerpunkte: Individuelle Künstlerförderung, kulturelle Bildung und Digitalisierung in der Kultur. Und darauf aufbauend: Wie verändert Digitalisierung das Familienleben? Da hätten wir wieder den Bogen zum Beginn unseres Gesprächs geschlagen.

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