Bilanz: Reformationsjubiläum wird teurer als gedacht

Die Evangelische Kirche in Deutschland muss mindestens 6,5 Millionen Euro nachschießen. Als Gründe gelten höhere Sicherheitsmaßnahmen und geringere Besucherzahlen.

 Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm hält die Kostensteigerung dennoch für vertretbar. (Archivfoto)

Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm hält die Kostensteigerung dennoch für vertretbar. (Archivfoto)

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Bonn. Andreas Barner kennt beide Seiten: Bis Sommer 2016 hat er sein Geld als Vorsitzender der Unternehmensleitung der Pharmafirma Boehringer Ingelheim verdient. Und 2015 in Stuttgart war der heute 64-Jährige Kirchentagspräsident. Am zweiten Tag der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Bonn ist es nun an dem Wirtschaftsvertreter, den Synodalen die nüchternen finanziellen Auswirkungen des Reformationsjubiläums offenzulegen: ein Defizit in Millionenhöhe.

Knapp 30 Millionen Euro hatte die EKD bisher für ihre zentralen Veranstaltungen einkalkuliert, die sich vor allem in Wittenberg abspielten. Inzwischen ist klar: Schon jetzt müssen 6,5 Millionen Euro nachgeschossen werden. Und eine weitere Sicherheitsreserve von 3,5 Millionen Euro für bisher nicht vorgesehene Ausgaben ist einkalkuliert, dazu noch einmal zwei Millionen im Haushalt 2018 für die Abwicklung des Durchführungsvereins. Im Extremfall wäre das eine Kostensteigerung von mehr als einem Drittel.

Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm hält diese Kostensteigerung dennoch für vertretbar. Und Andreas Barner spricht statt von Kosten im Zusammenhang mit dem Jubiläum ohnehin lieber von einer „bewussten Investition in die Sichtbarmachung der Kirche, in die Sichtbarmachung des christlichen Glaubens und in die Sichtbarmachung der Bedeutung der Reformation“. Endgültige Klarheit zur finanziellen Bilanz verspricht der Jahresabschluss des Vereins „Reformationsjubiläum 2017“, den die EKD für Mitte 2018 erwartet.

Als Gründe für die Mehrausgaben werden in Bonn zwei Gründe genannt: zum einen deutlich gesteigerte Sicherheitsmaßnahmen im Zuge der gewachsenen Terrorbedrohung, zum anderen ausgebliebene Einnahmen. Sie resultieren vor allem aus Fehlkalkulationen bei den Besucherzahlen und Kartenverkäufen sowie geringeren Sponsoring-Erlösen.

So blieb die 16 Wochen dauernde Weltausstellung Reformation in Wittenberg mit knapp 300.000 Eintritten hinter den Erwartungen zurück. Auch die sechs mitteldeutschen „Kirchentage auf dem Weg“ parallel zum zentralen Kirchentag in Berlin und Wittenberg sowie das Festwochenende Ende Mai in Wittenberg erreichten bei Weitem nicht die im Vorfeld geäußerten Besucherzahlen.

Das Jubiläumsdefizit soll komplett aus den EKD-Rücklagen in Höhe von derzeit knapp 80 Millionen Euro finanziert werden. Weder die 20 Landeskirchen noch der Deutsche Evangelische Kirchentag müssen sich an den Mehrkosten beteiligen.

Eine Aussage über die Gesamtkosten für das Jubiläumsjahr oder gar die gesamte Reformationsdekade seit 2008 ist damit nicht getroffen. Grobe Schätzungen sprechen von 250 Millionen Euro. Neben den zentralen EKD-Veranstaltungen gab es Tausende Angebote auf den Ebenen von Landeskirchen, Kirchenkreisen, Gemeinden und diakonischen Einrichtungen, deren finanzielle und personelle Aufwendungen nicht zentral erfasst werden.

Dabei haben neben der Kirche selbst auch Bund und Länder massiv in die Finanzierung der „Leuchtturm-Projekte“ zum Reformationsjubiläum investiert, laut Barner „allein der Bund und die beiden Länder Sachsen-Anhalt und Thüringen zusammen einen dreistelligen Millionenbetrag“.

Investitionen, so der frühere Manager, erforderten immer Ausgaben in kurzer Zeit; der Ertrag zeige sich aber oft erst deutlich später. Gleichwohl habe sich der EKD-Rat eine „kritische Analyse, ob die Ziele erreicht wurden“, fest vorgenommen.

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