Zu wenig Chancen für Menschen mit Behinderung

Weniger als die Hälfte der Unternehmen in Wuppertal erfüllt die Quote an Angestellten mit Behinderung.

Wuppertal. Sebastian Esplör sitzt an seinem Arbeitsplatz und korrigiert elektronische Schalter. Dass der 25-Jährige solche Feinarbeit wieder leisten kann, ist nicht selbstverständlich. Es war ein langer Weg für den Elektroniker wieder ins Arbeitsleben zurückzukehren. Esplör litt unter Angststörungen: „Ich war überfordert und unfähig meinen Job weiter auszuüben“, sagt er. Aufgrund der Schwere seiner Erkrankung musste er behandelt werden. Seit seiner Rückkehr zum DB-Stellwerk in Vohwinkel ist Esplör einem Schwerbehinderten gleichgestellt.

Bundesweit wollen Arbeitsagenturen seit gestern mit der Woche der Schwerbehinderung auf die Problematik von schwerbehinderten Menschen ohne Arbeit aufmerksam machen. Bei Sebastian Esplör ist die Wiedereingliederung in den Betrieb gelungen, viele Menschen mit Schwerbehinderung bekommen nicht einmal die Gelegenheit dazu.

Ergotherapeut Reinhold Vaak wurde Esplör zur Seite gestellt. „Wichtig war zunächst, ihm die Angst vor dem Job zu nehmen und Kollegen für seine Krankheit zu sensibilisieren.“ Denn psychische Erkrankungen kann man im Gegensatz zu körperlichen Behinderungen nicht sehen. „Ganz häufig heißt es dann, man soll sich einfach zusammenreißen“, erzählt Vaak von seinen Erlebnissen in Betrieben. „Es war gut, jemanden an meiner Seite zu haben“, sagt Esplör rückblickend.

Obwohl Firmen mit mehr als 20 Angestellten dazu verpflichtet sind, behinderte Mitarbeiter zu beschäftigen — die Quote der einzustellenden Behinderten liegt bei fünf Prozent — greifen noch immer viele Arbeitgeber auf die Möglichkeit zurück, eine Ausgleichsabgabe an den Landschaftsverband Rheinland (LVR) zu leisten. Von 470 Unternehmen in Wuppertal, die 2010 die Schwerbehindertenquote erfüllen mussten, haben 255 die Ausgleichsabgabe geleistet. „Ich erlebe häufig, dass Arbeitgeber gegenrechnen: Wenn der Mitarbeiter im Schnitt durch seine Erkrankung fünf Wochen fehlt und noch Anspruch auf Sonderurlaub hat, ist es günstiger die Ausgleichszahlung zu leisten“, erzählt Ergotherapeut Vaak das Verhalten der Arbeitgeber. Einige schreckten auch vor dem strengerem Kündigungsschutz zurück.

Dabei sei vielen Unternehmen nicht klar, dass sie für schwerbehinderte Mitarbeiter Fördergelder beantragen können, mit denen Hilfsmittel oder eben Arbeitsbegleiter wie Reinhold Vaak finanziert werden. Bezahlt wird die Förderung wiederum aus den Ausgleichsabgaben der Unternehmen. Einzige Voraussetzung für die Förderung: der Angestellte hat einen Behinderungsgrad von mindestens 50 Prozent oder ist gleichgestellt (Grad der Behinderung von mindestens 30 plus Bescheid von der Arbeitsagentur).

„Es ist immer wünschenswert, dass Menschen mit Behinderung eingestellt werden“, stellt Guido Schäfer von der Fürsorgestelle fest, die die Ausgleichsabgaben verwaltet. Er weist aber auch auf die Wichtigkeit der Abgabe hin. Für Wuppertal standen dieses Jahr rund 480 000 Euro Ausgleichsabgaben zur Verfügung, mit denen Arbeitsplätze behindertengerecht ausgestattet wurden.

Ergotherapeut Reinhold Vaak sieht bei Arbeitgebern noch Aufholbedarf: „Es sind zwar schon mehr geworden, die Schwerbehinderte einstellen, weil immer häufiger auf der Führungsebene Menschen an psychischen und seelischen Behinderungen leiden. Aber da vor allem diese Krankheiten immer häufiger werden, ist es in Zukunft mit einer Ausgleichsabgabe nicht getan, sonst fehlen irgendwann die ausgebildeten Arbeitskräfte.“

Für Sebastian Esplör ist es ein Segen, eine Chance bekommen zu haben, seine Arbeit wieder aufzunehmen: „Das Selbstwertgefühl steigt, weil man das Gefüh hat, etwas Sinnvolles zu tun.“

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