„Wiederentdeckung einer meisterhaften Grafikerin“

Zehn Arbeiten von Ottilie Ehlers-Kollwitz werden in der Neuen reformierten Kirche ausgestellt.

„Wiederentdeckung einer meisterhaften Grafikerin“
Foto: Fries

Sie ist nicht die Künstlerin des ersten Blicks. Sie zieht den Betrachter langsam in ihre Bilder hinein — ohne Knalleffekt und Getöse. So wie sie in ihrem Leben zurückstand. Weil ihr Name in der Kunstwelt schon besetzt war. Die Rede ist von der Graphikerin und Malerin Ottilie Ehlers-Kollwitz, Schwiegertochter der berühmten Käthe Kollwitz. Eine kleine Auswahl ihrer Arbeiten ist bis zum 24. September in der Neuen reformierten Kirche zu sehen.

„Wiederentdeckung einer meisterhaften Grafikerin“ ist die Kabinettausstellung untertitelt, die im Hauptraum der im 19. Jahrhundert erbauten Kirche an der Sophienstraße fast ein wenig untergeht. Wer die Werke findet, wird aber mehr als belohnt. Und dann kann es ihm so ergehen wie Ralf Noltensmeier, der vor Begeisterung sprüht, wenn er über seine Bilder spricht. Der Musikdokumentator hat sie vor drei Jahren von der Familie der 1963 gestorbenen Künstlerin erworben, stellt sie seiner Gemeinde nun für zwei Wochen zur Verfügung. „Weil sie mir so gefallen“, strahlt er und nennt als wichtigsten Grund: „Ehlers-Kollwitz kombiniert Kunst-Arbeit mit Freundlichkeit, die aus ihren Bildern spricht.“ Sie ergab sich nicht in das Schicksal der Künstlerschwiegertochter, sondern entwickelte ihren eigenen Stil.

Wer diesen einordnen will, erklärt Noltensmeier, muss wissen, dass die 1900 Geborene zwar im 20. Jahrhundert lebte, ihre Wurzeln aber in der Landschaftsmalerei des 19. Und 18. Jahrhunderts hat. Was nicht zuletzt darin begründet ist, dass sie ab 1919 bei Max Hertwig, Ernst Böhm und Emil Orlik in Berlin studierte. Wenig später lernte sie ihre große Liebe Hans Kollwitz kennen, die künstlerische Entwicklung trat in den Hintergrund. Nach der Heirat 1920 folgten vier Kinder, Familienstress und Beziehungsprobleme. Gleichwohl schuf sie Holzschnittarbeiten, Radierungen, Buchillustrationen — einige Bücher, etwa „Das Buch vom kleinen Peter“, sind auch in der Ausstellung zu sehen. Ab 1928 unterzog sich Ottilie einer Psychotherapie, in der sie wieder zum Malen fand. Und aus der sie gestärkt hervorging. Drittes Reich und Zweiter Weltkrieg unterbrachen ihren Lebenswerk erneut: 1942 starb ihr ältester Sohn, 1943 wurden ihr Wohnhaus und die meisten Arbeiten aus ihrem Frühwerk zerstört.

Erst nach 1945 konnte sie wirklich mit ihrem Lebenswerk beginnen: Sie machte den Führerschein, reiste nach Italien und Frankreich - und malte. Ergebnisse dieser Reisen, Aquarelle und kolorierte Holzschnitte, sind auch in der Kirche zu sehen. Allen Bildern gemein ist, dass man in sie hineingehen kann, sie werden klarer und eindeutiger, wenn man sich ihnen nähert, schwärmt Noltensmeier. Etwa beim „Hafen von Portofino“. Und: Starke Farben sucht man meist vergebens - „sie hatte einen Horror vor grellen Farben, vor Effekthascherei“. „San Ilario auf Elba“ (1957), ist so ein leichtes, lichtdurchflutetes Aquarell oder „Ponte tre arci“ (1961), dessen helle Pastellfarben sie sorgfältig aussuchte. „Havel am Großen Fenster“ (1956) wiederum ist aus der Reihe der Havelbilder, die davon zeugen, dass sich Ehlers-Kollwitz mit der chinesischen Holzschnitttechnik beschäftigte. Noltensmeier: „Das Bild lässt dem Betrachter und seiner Phantasie viel Freiraum.“ Es gibt eben viel zu entdecken.

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