Wenn Schmerzen aus der Seele kommen: Uni hat neue Therapie

Psychologe Harald Gitzen erläutert die Hintergründe eines neues Therapieprojekts für Schmerzpatienten in Wuppertal.

Wenn Schmerzen aus der Seele kommen: Uni hat neue Therapie
Foto: Uni Wuppertal

Wuppertal. Wenn es im Körper schmerzt, dann ist nicht immer ein Organ schuld. Bei jedem fünften Patienten kann die Erkrankung psychische Ursachen haben. Ein neues Therapieprojekt der Bergischen Universität soll den Betroffenen helfen. Was die Patienten erwartet, wer für das Projekt in Frage kommt und was unklare Beschwerden sind, erklärt Diplom-Psychologe Harald Gitzen, der Projekt zusammen mit Dr. Alexandra Martin leitet.

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Der Körper schmerzt, dem Patienten ist schwindelig, aber die Ärzte finden partout nichts. Wieso leiden wir, ohne das Organe schuld sind?

Wenn Schmerzen aus der Seele kommen: Uni hat neue Therapie
Foto: dpa

Harald Gitzen: Es gibt einen Zusammenhang zwischen Körper und Psyche, eine Trennung geht nicht. Patienten, die ohne Diagnose von Arzt zu Arzt laufen, kennen das. Es ist aber möglich, eine psychologische Erklärung zu finden und dem Patienten so den Leidensdruck zu nehmen.

Unter welchen Beschwerden leiden die Patienten?

Gitzen: Die sogenannten somatoformen Beschwerden, also unklare Beschwerden, sind nicht nur Schmerzen wie Rücken-, Kopf-, Gelenk-Schmerzen. Die Patienten können unter einer sehr großen Spannbreite potenzielle Symptome leiden: Schwindel, Übelkeit, Durchfall, ein allgemeines Missempfinden. Das schränkt die Patienten in ihrem Alltag sehr stark ein.

Nun versucht die Arbeitsgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie von Prof. Dr. Alexandra Martin den Patienten ohne Medikamenten, sondern Psychotherapie zu helfen. Wie soll das funktionieren?

Gitzen: Psychologen helfen Patienten mit unklaren Beschwerden bereits mit einer kognitiven Verhaltenstherapie. ENCERT nutzt die bewährte Arbeitsweise, rückt aber Erweiterungen zur Verhaltenstherapie in den Fokus. Bei dem Emotionstraining geht es darum, Strategien zu finden, um besser Gefühle wahrzunehmen. Außerdem trainieren Patienten insbesondere mit den negativen Emotionen besser umzugehen.

Wie möchten Sie den Patienten helfen?

Gitzen: In der Therapie geht es um Entspannungstrainings, dem bewertungsfreies Wahrnehmen, den Abbau von Schonverhalten, Veränderungen im gedanklichen Umgang und der Neuorganisation des Alltags.

Wer darf an Ihrem Projekt teilnehmen?

Gitzen: Bewerben können sich Patienten zwischen 18 und 69 Jahren, die seit mindestens sechs Monaten an mindesten drei körperlichen Beschwerden ohne organische Ursachen leiden. Es ist ratsam, dass die Patienten bereits ihre körperlichen BEschwerden medizinisch abgeklärt haben. Die Krankenkassen übernehmen nach Aufnahme in das Projekt die Kosten.

Wie läuft die sogenannte ENCERT-Therapie ab?

Gitzen: In einem Telefoninterview zu Beginn werden die Beschwerden mit dem Patienten besprochen. Nach einer ausführlichen diagnostischen Abklärung folgen für die rund 30 Teilnehmer bis zu fünf probatorische Gespräche, die klären, ob der Patient geeignet für die Therapie ist. Anschließend beginnt die Verhaltenstherapie in 20 Einzelsitzungen. Diese Psychotherapie wird rund ein halbes Jahr dauern.

Was erwartet die Patienten während der Einzelsitzungen?

Gitzen: Die Therapie-Sitzungen folgen einer genauen Struktur, zu der Gespräche, Übungen, etwa zur Entspannung, und Hausaufgaben gehören.

Wieso bekommt der Patient Hausaufgaben?

Gitzen: Es geht darum, die Therapieinhalte auch im Alltag nutzbar zu machen. Die Patienten sollen etwa beobachten, in welchen Situationen die Beschwerden stärker auftreten, ihnen soll bewusst werden, worüber sie sich zum Beispiel in dieser Situation Gedanken gemacht haben. Dazu sollen Entspannungsübungen im Alltag angewendet werden, um besser mit Beschwerden umzugehen.

Mit Schmerzen zur Psychotherapie - das wirkt doch, als ob der Patient verrückt ist.

Gitzen: Ja, natürlich gibt es immer noch Vorurteile gegenüber der Psychotherapie. Viele Leidende haben Sorge um ihren Ruf, wenn sie sich entscheiden, zu einem Psychologen zu gehen. Aber Forschungen haben bereits gezeigt, dass eine Verhaltenstherapie bei somatoformen Beschwerden hilft.

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