Wasserpause für das Tanztheater

Uwe Becker stellt sich vor, wie es in Wuppertal wäre, wenn immer 34 Grad herrschten.

Wasserpause für das Tanztheater
Foto: Joachim Schmitz

Bei so einer Hitze kann man keine Kolumne zu Papier bringen. Die drückende Schwüle lähmt meine Schreiblust. Mein Pflichtbewusstsein lässt aber nicht locker, und so schreibe ich nun: Ich stelle mir gerade vor, die Temperaturen hier im Tal blieben konstant bei 34 Grad, von Januar bis Dezember, von morgens bis abends. Bei so einer Witterungslage hätte auch ein Wuppertaler Tanztheater mit Pina Bausch als Intendantin kaum Aussicht auf einen Fortbestand. Die Tänzerinnen und Tänzer würden unter der Hitze leiden, und die Aufführungen müssten alle 20 Minuten für eine kurze Wasserpause unterbrochen werden, weil die Klimaanlage aus Kostengründen nicht mehr in Betrieb genommen werden kann. Wer will so etwas sehen? Da ging doch auch die ganze Dramaturgie flöten. Tanztheater ist ja auch kein Fußball. Man würde dann nur noch „Vollmond“ auf den Spielplan setzen, weil da viel im Wasser getanzt wird, und und es schön feucht zur Sache geht.

Begrabt mein

Herz in Wuppertal

Das benötigte Wasser für die Aufführungen könnte unsere bankrotte Kommune aber nur finanzieren, wenn der Stadtkämmerer nicht nur die Rechte am Grundwasser, sondern auch die am Wuppertaler Regen an die Firma Nestlé verkaufen würde. Aber das ist jetzt Science-Fiction. Bleiben wir in der Gegenwart: Der neue Spielplan startet im September wirklich mit „Vollmond“. Für andere Stücke gibt es keine Termine.

In mir keimt daher der Verdacht, die Entlassung Binders ist eine politische Entscheidung. Wollte die Intendantin aus Protest gegen das von der Europäischen Union geduldete Ertrinken tausender, unschuldiger Menschen im Mittelmeer ein Zeichen setzen, und plante sie daher, nur „Vollmond“ auf die Bühne zu bringen? Und ist es auch eine getanzte Mahnung der nun fristlos gekündigten Intendantin an uns alle, die Erderwärmung und den Klimawandel ernst zu nehmen? Hat Binder die Geschäftsführung mit dieser Entscheidung brüskiert, und ist sie gar eine Kommunistin?

Im Beirat des Tanztheaters sitzen auch Politiker, die eh schon nicht begeistert sind, dass wir 2020 Friedrich Engels’ 200. Geburtstag groß feiern sollen. Viele Bürgerinnen und Bürger in Wuppertal stellen sich nun wieder die Frage, brauchen wir in Wuppertal unbedingt so ein Tanztheater? Wir haben ja immer noch die Oper und das Schauspiel.

Ich glaube, die meisten ballettbegeisterten Wuppertaler würden auch viel lieber mal so einen Klassiker wie „Der Nussknacker“ oder „Schwanensee“ im Opernhaus sehen. Wenn wir aber wirklich bald unser Tanztheater verlieren, weil das Ensemble in Paris, New York oder London um tänzerisches Asyl bittet, dann geht ja nicht gleich die Welt unter. Es wird jetzt auch mal die Frage erlaubt sein, passt so ein grandioses Tanztheater nicht eher in eine Weltmetropole wie New York oder Barcelona?

Aber, und das sollten wir nicht vergessen, uns bleibt immer noch die auf der Welt einzigartige Schwebebahn und unser Zoo, der wohl zu den zehn schönsten Zoologischen Gärten Deutschlands gehört. Nicht auszudenken wäre es daher, sollte unser schöner Zoo irgendwann einmal geschlossen werden, weil die Kritik an der Tierhaltung, zuletzt bei unseren Elefanten, nicht abreißt. Oder die immer noch nicht störungsfrei fahrende Schwebebahn fiele wieder vom Gerüst. Dann hätte die Wuppertaler Stadtmarketing GmbH aber ein großes Problem.

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