Vortrag: Ein Autor verdammt die deutsche „Pflegemafia“

Claus Fussek kritisierte beim Besuch in der Börse die menschenverachtenden Zustände in den meisten Pflege-Einrichtungen.

Wuppertal. Wer isst schon gerne sein Wurstbrot, wenn er auf der Toilette sitzt? Buchautor Claus Fussek stellte am Freitag in der Börse mehrere solcher Fragen, die ein gemeinsames Ziel verfolgten: anschaulich machen, was die Realität im deutschen Pflegesystem ist.

Fussek war auf Einladung des Vereins Honigstal nach Wuppertal gekommen. Der in Heckinghausen ansässige Verein bemüht sich darum, zeitgemäße, humane Pflegeformen und Kurzzeiteinrichtungen zu schaffen und hat dazu 2004 ein eigenes kleines Heim gegründet. So eine Institution sei in Deutschland die Ausnahme, sagte Fussek und stellte klar, dass in den meisten Pflegeheimen ein absurdes, menschenverachtendes System regiere — bei dem nicht einmal einleuchtend sei, warum nicht auf breiter Front dagegen rebelliert werde.

Pflegebedürftige Menschen würden in der Regel nur gefüttert, trockengelegt und mit Psychopharmaka sediert. Begründet werde das damit, dass Pflegekräfte gar keine Zeit hätten, mehr als eine Grundversorgung zu leisten. Was so nachvollziehbar klinge, besitze eine Kehrseite: Unendlich viel Zeit werde daran verschwendet, Leistungen zu dokumentieren — insbesondere solche, die gar nicht erbracht würden. „Dokumentieren Sie das, was Sie auch wirklich leisten können“, riet Fussek deshalb Pflegekräften, die am System verzweifeln.

Den Kassen sei durchaus bekannt, dass die Dokumentationen letztlich Fälschungen seien. Doch solange „im Netz der Pflegemafia“ Millionengewinne erzielt würden, erhalte das System sich selbst, und das zu Lasten derer, die keine Lobby besitzen. In keinem Gefängnis werde ein solcher Umgang mit Menschen geduldet, weil jeder Gefangene einen Anwalt habe.

Fusseks Gabe, lebendig zu referieren, erzeugte angesichts des erschreckenden Inhalts eine seltsame Atmosphäre. Gebannt lauschte der Laie seinen Ausführungen, um immer mehr in Kopfschütteln zu verfallen. Die Stille im Publikum ließ derweil vermuten, dass anwesende Fachkräfte keineswegs mit Neuigkeiten konfrontiert wurden.

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