Vor 90 Jahren erfand Dr. Tigges die Studienreisen

Für den Wahl-Wuppertaler waren Reisen nach Mallorca oder Neapel die unmittelbarste Form der Völkerverständigung. Los ging es 1928.

Vor 90 Jahren erfand Dr. Tigges die Studienreisen
Foto: Gebeco Länder erleben

Die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges machten ihn zum Pazifisten, Reisen ins Ausland waren für ihn eine der unmittelbarsten Form der Völkerverständigung. Der 1895 im Sauerland geborene Hubert Tigges — der als Dozent Wahl-Wuppertaler wurde — gilt als Pionier der Studienreisen in Deutschland: Vor 90 Jahren hat er von Elberfeld aus die ersten Bildungsreisen unter dem Titel Gemeinschaftsfahrten Dr. Tigges organisiert. Damals ging es zunächst unter anderem an den Bodensee, in den Schwarzwald oder nach Flandern. 1929 folgte eine Gruppenreise nach Neapel, 1934 stand die erste Bildungsreise nach Mallorca an. Hubert Tigges, der im Fach Volkswirtschaft zum Thema „Soziallohn“ promoviert hatte, wurde mit der Erfindung der Marke „Dr. Tigges“ zum Erfinder der Studienreise.

Vor 90 Jahren erfand Dr. Tigges die Studienreisen
Foto: Gebeco Länder erleben

„Die durch Dr. Hubert Tigges begründete Tradition der Begegnung zwischen Menschen durch Reisen wird unverändert fortgeführt“, sagt Rulf Treidel, Abteilungsleiter bei der Gesellschaft für internationale Begegnung und Cooperation (Gebeco). Der TUI-Konzern ist seit 1998 Mehrheitsgesellschafter bei dem in Kiel ansässigen Unternehmen, im Zuge dieser Übernahme gingen Dr.-Tigges-Studienreisen an Gebeco über. Zuvor waren die Dr.-Tigges-Fahrten bei TUI eingegliedert, für einige Jahre sogar komplett vom Markt verschwunden und durch den Begriff „TUI-Studienreisen“ ersetzt worden.

An den besonderen Nimbus der Dr.-Tigges-Studienreisen erinnert eine Anekdote aus dem Jahr der Unternehmensgründung. Eine Reisegruppe unter Leitung von Hubert Tigges hatte 1928 im Bois de Bologne in Paris gezeltet. Als der Pariser Bürgermeister davon hörte, begrüßte er die Gruppe mit Wein und weiteren Köstlichkeiten. „Das war gelebte Begegnung, zumal damals die Franzosen und Deutschen noch Erbfeinde waren. Der Austausch mit Kulturen und anderen Menschen ist das wichtigste Element der Studienreise“, erklärt Gebeco-Abteilungsleiter Treidel. Hubert Tigges hatte nach seiner Promotion zunächst als Lehrer in verschiedenen Volkshochschulen der Region gearbeitet und 1925 den „Europakreis“ gegründet, der sich für ein vereintes Europa einsetzte. Quasi nebenher begann er mit der Organisation der Reisen.

Die „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten und der Zweite Weltkrieg beendeten dann die Reisetätigkeit vorübergehend, 1948 nahm Tigges die Studienreisen wieder auf. Im Zeichen des wachsenden Flugverkehrs kamen dann auch Fernreisen dazu. Deutschland gilt gemeinhin als „Reiseweltmeister“ — und die Studienreise entspricht da durchaus einer deutschen Besonderheit. „Die Studienreise ist letztlich vor dem Hintergrund der deutschen Reisevorlieben entstanden“, erklärt Treidel. Ähnliche Reiseangebote gebe es ansonsten höchstens noch bei kleineren Anbietern in Großbritannien oder den USA. Vor allem Studienreisen in der Tradition von Dr. Tigges seien deshalb „ein weltweit einzigartiges Produkt“.

Nach Angaben von Gebeco ist die Nachfrage nach Studienreisen in Deutschland „seit vielen Jahren relativ stabil“. Das Zielpublikum der Dr.-Tigges-Studienreisen stammt in der Regel aus bildungsaffinen Schichten und wird gebucht von Teilnehmern, die oft selbst einen akademischen Hintergrund haben. „Die Programme von Dr. Tigges wenden sich an offene und interessierte Menschen. Die Studienreisenden wollen einen Blick hinter die Kulissen werfen und wissen, wie die jeweilige Gesellschaft funktioniert“, erklärt Treidel. Aber auch die Küche und das „landestypische Genießen“ spielten eine Rolle.

In der Regel werden die Gebeco- und Dr.-Tigges-Reisen in einem gemeinsamen Katalog aufgelistet. Dadurch soll den Angaben zufolge eine „stärkere Akzentuierung zwischen den beiden Reiseformen“ stattfinden. Lediglich in dem sogenannten Themenjahr-Katalog stehen ausschließlich Dr.-Tigges-Reisen: In diesem Jahr lautet das Themenmotto: „Menschen verbinden“: ein gerade in Zeiten des Populismus und der weltweiten Abgrenzungsbewegungen programmatisches Motto.

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