Wuppertal Videokameras können helfen, sind aber kein Allheilmittel

Je nach Betrachtungsweise ist Wuppertal eine Kriminellenhochburg oder eine der sichersten Städte Deutschlands.

Videokameras im öffentlichen Raum sind umstritten.

Videokameras im öffentlichen Raum sind umstritten.

Foto: Lino Mirgeler

Wuppertal. Oberbürgermeister Andreas Mucke (SPD) nennt Wuppertal „objektiv eine der sichersten Großstädte Deutschlands“. Die Gründe dafür sind seiner Meinung nach die Präventionsarbeit verschiedener Institutionen und die Polizei, wenn sie sichtbar ist. Aus diesem Grund ist Videoüberwachung auch nicht das Maß der Dinge. „Inwieweit sie eine Ergänzung darstellen kann, muss genau abgewogen werden“, sagt Mucke.

Bei näherer Betrachtung ist Wuppertal allem Anschein nach tatsächlich eine sichere Stadt. Zwar meldet die Polizei regelmäßig und vor allem nach Wochenenden Schlägereien und Randale. Aber hinter den Meldungen verstecken sich zumeist private Feieren oder der Streit zwischen Betrunkenen in einer Kneipe. Von in regelmäßigen Abständen wiederkehrenden Orten ist hingegen nicht die Rede.

Dennoch gilt vor allem der Berliner Platz in Oberbarmen als gefährlicher Ort. Dort treffen sich regelmäßig offensichtlich Alkoholabhängige zum Trinken. Zuweilen kommt es zu Handgreiflichkeiten, zuletzt gab es sogar eine Messerattacke. Aber all das sind Ereignisse, die Passanten, zufällig vorbeikommende Bürger, nicht betroffen haben.

Dasselbe gilt für den Döppersberg. Dort ist die Alte Freiheit seit Jahr und Tag ein Treffpunkt für Drogenabhängige. Jeder Passant weiß, dass die Süchtigen am Döppersberg nicht nur Drogen konsumieren, sondern auch damit handeln. Das ist eine Straftat. Aber sie geht nicht zulasten unbeteiligter Dritter. Alkoholiker und Drogensüchtige bleiben in der Regel jeweils unter sich. Allenfalls durch Betteln oder durch Pöbeleien im Rauschzustand treten sie an Passanten heran.

Je nach Sichtweise ließe sich Wuppertal dennoch genauso gut als Kriminellenhochburg bezeichnen. Immerhin zählte die Polizei im Jahr 2015 genau 37 090 Straftaten. Das waren fast 5000 mehr als im Jahr 2011, obwohl damals die Einwohnerzahl noch um gut 4000 höher lag. Das heißt, weniger Wuppertaler haben mehr Straftaten begangen — eine besorgniserregende Tendenz.

Bei näherer Betrachtung fällt allerdings auf, dass die weit überwiegende Mehrheit der Straftaten zwar deutliche Schäden verursachte. Direkte Gefahr für die Opfer ging von ihnen in den allermeisten Fällen aber nicht aus. Diebstähle aus Autos und Wohnungseinbrüche geschehen in der Regel dann, wenn das Opfer nicht anwesend ist. Betrug ist kriminell und ärgerlich, bedroht das Opfer normalerweise aber nicht an Leib und Leben.

Dennoch ist die Zahl der Fälle von Gewaltkriminalität auch im Jahr 2015 beträchtlich gewesen. Die Polizei ermittelte in 1200 Fällen, von denen knapp 68 Prozent aufgeklärt wurden.

Von diesen 1200 Fällen trugen sich 859 im privaten Bereich von Opfern und Tätern zu. Die Polizei spricht dann von häuslicher Gewalt. Dieser Wert unterstützt die Erkenntnis von Statistikern, dass sich Täter und Opfer in zwei von drei Fällen von Gewaltkriminalität kennen. Insgesamt machen diese Verbrechen am gesamten Kriminalitätsaufkommen 3,2 Prozent aus. Das ist ein verhältnismäßig geringer Anteil.

Aus diesem Grund wird in der Diskussion um mehr Videoüberwachung und mehr Polizei auf der Straße zwischen objektivem und subjektivem Angstempfinden unterschieden. Wer sich beispielsweise freiwillig unter Fußball-Hooligans begibt, läuft Gefahr, verletzt zu werden. Denn von Fußball-Hooligans ist bekannt, dass sie gewaltbereit sind und den Konflikt mit anderen Hooligans sowie Polizisten suchen.

Wer hingegen in Wuppertal über die Alte Freiheit geht oder über den Berliner Platz, wer früher durch die Unterführung vom Hauptbahnhof zum Döppersberg ging, den kann und konnte ohne weiteres subjektive Angst beschleichen. Es ist unangenehm, sich zwischen Menschen zu bewegen, die anders aussehen und sich anders verhalten als die Norm. Gefährlich ist es in aller Regel aber nicht. Zumindest ist von Übergriffen von Alkoholikern und Drogensüchtigen auf unbescholtene Passanten bisher wenig bekanntgeworden.

Deshalb ist die Frage berechtigt, ob mehr Videoüberwachung konkret auch mehr Sicherheit bedeutet. Dem einsamen Spaziergänger durch die Elberfelder Innenstadt kann sie mehr Sicherheit suggerieren. Das können Polizeiwagen und Polizisten aber sehr wahrscheinlich noch besser.

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