Analyse Verneinen und Verbieten hilft nicht gegen Rechtspopulismus

Die Linke und die AfD haben in Teilen dieselbe Wählerschaft. In Berlin verloren die Linken zuletzt 12.000 Wähler an die Rechten.

Analyse: Verneinen und Verbieten hilft nicht gegen Rechtspopulismus
Foto: Lars Langmeier, dpa

Wuppertal. Die selbst ernannte Alternative für Deutschland wird am 25. Februar nächsten Jahres die Wuppertaler Stadthalle mieten. Seriös ist das nicht mehr zu verhindern. Also belästigen als Demokraten verkleidete Nationalisten Wuppertal für einen Karnevalstag. Soweit, so schlecht.

Die demokratischen Parteien im Stadtrat werden Mittel und Wege finden, den AfD-Sympathisanten zu erklären, dass in Wirklichkeit Demokratie, Hilfsbereitschaft und Weltoffenheit die Alternative für Deutschland sind, nicht Fremdenfeindlichkeit und „Frauen an den Herd“.

Doch mit dem Besuch der AfD hat noch nicht jede Partei, wenn auch schweren Herzens, ihren Frieden gemacht. Die Linke im Wuppertaler Stadtrat wähnt nun Politiker wie beispielsweise den CDU-Kreisvorsitzenden Rainer Spiecker auf der Seite der AfD, die nicht mit fadenscheinigen Argumenten und durch Beugen geltenden Rechts verhindern wollen, dass Frauke Petry und ihre völkischen Freunde für einen Tag in die Stadt von Friedrich Engels und Friedrich Bayer einfallen. Diese Annahme der Linken ist ebenso falsch wie dümmlich.

Bei vielen Wählern der Linken ist das offenbar allerdings anders. Das haben zuletzt die Wahlen in Berlin gezeigt. Die Linkspartei verlor dort 12 000 Stimmen an die AfD. In Sachsen waren es vor zwei Jahren sogar 15 000. Selbst in Mecklenburg-Vorpommern, mit früher annähernd 20 Prozent Stimmenanteil eine Linken-Hochburg, haben Anfang September 18 000 Wähler der SED-Nachfolgepartei ihr Kreuzchen hinter den Buchstaben AfD gemacht. In Brandenburg waren es vor zwei Jahren bei der Landtagswahl sogar 20 000 ehemalige Linkswähler.

Und das ist auch schon der Hauptgrund dafür, dass sich die Linke mit Händen und Füßen gegen einen Auftritt der Partei der Beladenen und Verzagten wehrt. Diese AfD fischt auch im Teich von Sahra Wagenknecht und Gregor Gysi. Die Linke hat sich auf die Fahne geschrieben, für die Wendeverlierer, die Arbeitslosen, die Benachteiligten zu kämpfen. Das ist ein hehres Ziel, dem sich etablierte demokratische Parteien gar nicht genug widmen können. Denn viele dieser Menschen wenden sich der AfD zu.

Dennoch ist der einzige Weg mit dem Phänomen zu begegnen, sich damit zu beschäftigen. Das haben die meisten Ratsparteien in Wuppertal offenbar erkannt. Mit Verbieten, Verneinen und Ignorieren machte schließlich schon die DDR äußerst schlechte Erfahrung. Die Linke müsste dank ihrer in Teilen unseligen Geschichte eigentlich wissen, dass der Arbeiter- und Bauernstaat mit all seinen Mitteln darüber wachte, dass DDR-Bürger keinen Umgang mit „Vertragsarbeitern“ etwa aus Vietnam und Angola pflegten. Ausländer wurden in Karl-Marx-Stadt, Erfurt oder Jena kaserniert.

Dass Vietnamesen in den neuen Bundesländern noch heute als „Fidschis“ bezeichnet werden, wirkt abschätzig und zeigt, wie tief der Graben von der sozialistischen Staatsmacht gezogen wurde. Die rechten Umtriebe wie zuletzt in Dresden sind neben nicht gehaltenen Versprechen des Westens gegenüber den Menschen im Osten und umgekehrt überhöhten Erwartungen des Ostens auch eine direkte Folge von Ausgrenzung, Abgrenzung und Ignoranz.

Dass die Linke diesen Fehler nun anscheinend wiederholen will, in dem sie wie schon zu DDR-Zeiten Verbote an die Stelle von Debatte und Überzeugungsarbeit setzt, ist bemerkenswert. Oder sind ganz links und ganz rechts in Wahrheit nicht sehr weit voneinander entfernt? „Wer Gastrecht missbraucht, der hat Gastrecht dann eben auch verwirkt“, hat Wagenknecht zuletzt gesagt. Dass sie Gastrecht mit dem grundgesetzlich verbrieften Asylrecht gleichsetzte, ist das eine. Aber den Satz an sich hätte auch Frauke Petry nicht schlechter formulieren können. In Deutschland werden Gäste nach deutschem Recht sanktioniert und nicht mit der nationalistischen Verbalkeule erschlagen.

Die Kritik der Wuppertaler Linken daran, die AfD als etabliert zu bezeichnen, ist allerdings berechtigt, wenn etabliert an Lebensalter gemessen wird. Gelten Wahlerfolge als Maßstab, ist die neue nationalistische Partei im Prinzip nicht mehr oder weniger etabliert als die mittelalte sozialistische. Die vermeintliche Alternative für Deutschland ist in zehn Landtagen vertreten. NRW wird aller Voraussicht nach der Elfte sein. Die Linke bringt es derzeit nur auf neun Landesparlamente, in NRW hat sie die Fünf-Prozent-Hürde zuletzt nicht gemeistert.

Im bevölkerungsreichsten Bundesland wird im nächsten Frühjahr gewählt. Auch das mag die Aufgeregtheit der Wuppertaler Linken erklären. Umso besser ist die zuversichtliche Gelassenheit, mit der sich die demokratischen Parteien im Stadtrat auf den Besuch der AfD vorbereiten. Wuppertal wird die passende Antwort finden. Auch ohne die Linke.

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