Unschuldig in den Prügel-Mob geraten

Warum ein unbescholtener Wuppertaler und sein Bekannter aus Hessen für Neonazis gehalten wurden.

Wuppertal. Ralf W. (Name von der Redaktion geändert) aus Wuppertal sagt von sich: „Ich bin weder rechts noch links. Ich bin gegen Gewalt.“ Am vergangenen Sonntag war W. um 15 Uhr in Elberfeld unterwegs. Er hatte Besuch von Bekannten aus Hessen. Einer dieser Bekannten trägt einen markanten Langbart und als Ohrschmuck sogenannte Tunnel.

Was Ralf W. am Sonntag noch nicht wusste: Sein Bekannter sieht damit offenbar einem in der Wuppertaler Szene bekannten Neonazi ziemlich ähnlich. Und das wäre Ralf W. und seinen Begleitern am vergangenen Sonntag in Elberfeld beinahe zum Verhängnis geworden: Wie berichtet, gab es dort eine Neonazikundgebung mit etwa 30 Teilnehmern und eine Gegendemo mit 300 Teilnehmern. Und vor allem gab es gewalttätige Ausschreitungen — laut Polizei vorwiegend aus den Reihen der Gegendemonstranten.

Ralf W. erzählt: Nach der obligatorischen Schwebebahn-Fahrt mit seinen Gästen aus Hessen sei man an der Ohligsmühle in Elberfeld ausgestiegen und zum nahe gelegenen Parkplatz gegenüber gegangen. Aus dem Auto habe er in einer Gruppe von mehr als 20 Demonstranten — laut W. ganz offensichtlich dem linken Spektrum zugehörig — einen jungen Mann wiedererkannt, hupte und winkte ihm zu. So wurden zwar nicht jener Mann, dafür aber die übrigen Demonstranten auf den Wagen und dessen Insassen aufmerksam. Und die Demonstranten glaubten, den in der Szene bekannten Neonazi im Wagen zu erkennen.

Was dann folgte, beschreibt Ralf W. als exzessiven Gewaltausbruch. Von allen Seiten sei gegen seinen Wagen getreten worden: „Wir hatten Todesangst“, sagt W. gegenüber der WZ. „Da waren 20 aggressive junge Menschen hinter uns her, die meinen Bekannten ins Koma prügeln wollten.“ Und W. ist sich sicher: „Da ging es um nackte Gewalt, nicht um Politik.“ Angesichts der prügelnden Demonstranten — es sollen vorwiegend Jugendliche gewesen sein — habe er Gas gegeben und sei so mit seinen Bekannten im Wagen durch den Prügelmob hindurch gefahren und entkommen: Noch am Sonntag erstattet er Anzeige gegen Unbekannt.

In der vergangenen Woche nahm W. dann Kontakt zu einem antifaschistischen Forum im Internet auf. Von dort habe er die Erklärung erhalten, dass er offensichtlich einen stadtbekannten Neonazi im Auto gehabt habe. Dass es sich dabei eindeutig um eine Verwechslung handelte, sei bei seinem Gesprächspartner nicht recht angekommen, sagt W. gegenüber der WZ.

Mittlerweile war er erneut bei der Polizei, hat dort die neue Geschichte erzählt. Effekt: Die Polizei ermittelt nicht mehr wegen Sachbeschädigung, sondern hat den Fall an ihren Staatsschutz abgegeben. W. hofft, dass die Geschichte mit der Verwechslung zu einem Umdenken bei den Gegendemonstranten führt: „Gewalt ist so oder so keine Lösung.“

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