Toter Säugling: War die Mutter doch voll schuldfähig?

Ab März muss sich eine 24-Jährige erneut wegen Totschlags vor dem Landgericht verantworten.

Wuppertal. Im August 2008 war eine junge Frau aus dem Kongo wegen der Tötung ihrer neugeborenen Tochter zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Das Landgericht entschied damals, dass die Frau zur Tatzeit vermindert schuldfähig gewesen sei, es sich um einen minder schweren Fall des Totschlags gehandelt habe. Die Staatsanwaltschaft hatte fünf Jahre Haft gefordert.

Wie berichtet, kassierte der Bundesgerichtshof das Urteil. Ab Mitte März wird erneut gegen die Mutter verhandelt. Vor einer anderen Kammer des Landgerichts wird es um die vom BGH vorgegebene Frage gehen: War die Frau schuldfähig? Wie die WZ erfuhr, gibt es ein neues vorprozessuales Gutachten.

Nach Gesprächen - der sogenannten Exploration - mit der Angeklagten kommt der Experte zum vorläufigen Ergebnis, dass die heute 24-Jährige zur Tatzeit voll schuldfähig gewesen sei. Verbindlich ist diese Aussage nicht. Denn auch die Erkenntnisse in der Hauptverhandlung des neuen Prozesses müssen in die Beurteilung des Gutachters und des Gerichts einfließen.

Im ersten Prozess hatte die Angeklagte unter Ausschluss der Öffentlichkeit ein Geständnis abgelegt. Ohne das hätte der Fall womöglich nie aufgeklärt werden können. Die Frau zeige Reue, bekenne sich zu ihrer Schuld, urteilte damals das Gericht.

Seinerzeit hatte die Frau gestanden, kurz nach der heimlichen Geburt in der damaligen elterlichen Wohnung in Elberfeld ihre Tochter erstickt, den Leichnam im Keller versteckt zu haben. Sechs Monaten später wurde der tote Säugling gefunden. Die Mutter ging für sechs Wochen in U-Haft. Seither ist die junge Frau in Behandlung, sucht einen Job, kümmert sich um ihren Sohn. Auch das stimmte das Gericht seinerzeit milde.

In der damaligen Urteilsbegründung wurde auf den problematischen Lebensweg der Angeklagten verwiesen. Mit Fachabitur, Ausbildung und überdurchschnittlichen Sprachkenntnissen ist die junge Frau eigentlich eine Vorzeige-Immigrantin. Doch als sie erstmals schwanger wurde - ihr Sohn ist heute sechs Jahre alt -, bekam sie Probleme mit ihrem Vater.

Mit einem Fabrik-Job brachte sie sich und die siebenköpfige Familie durch. Eine zweite Schwangerschaft verheimlichte sie, trieb das Kind ab. Bei der dritten Schwangerschaft stand der Kindsvater für eine familiäre Bindung erneut nicht zur Verfügung.

Aus Angst vor der Familie habe die Frau auch diese Schwangerschaft verheimlicht und für sich verdrängt - bis hin zu einem psychischen Ausnahmezustand, die in der Tat mündete. So hatte es eine Psychiaterin damals festgestellt. Für den neuen Prozess sind bislang drei Verhandlungstage vorgesehen.

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