Langewiesche druckte schon zur Kaiserzeit

In der fünften Generation führt der heutige Chef die Tradition der Familie fort.

Langewiesche druckte schon zur Kaiserzeit
Foto: Stefan Fries

Vohwinkel. Das Papier ist vergilbt und knarzt beim Umblättern. Die großen Seiten sind in einer verschnörkelten Schrift eng bedruckt. „Das Befinden unseres Kaisers ist glücklicherweise so befriedigend, dass er schon viele Personen, auch das Staatsministerium, empfangen hat“ — das ist die Nachricht des Tages. General-Anzeiger steht in großen schwarzen Lettern über der ersten Seite. Darunter das Datum: 23. Februar 1875.

„Diese Ausgaben sind mir bei unseren Umzug in die Hände gefallen“, berichtet Torsten Langewiesche mit Blick auf die alten Zeitungsausgaben und die Gründungsurkunde seiner Firma. Das handschriftliche Dokument mit königlich-preußischem Siegel erlaubt es Ludwig Langewiesche 1867, eine Druckerei in Barmen zu eröffnen. „Das muss mein Ur-Ur-Großvater gewesen sein“, sagt Torsten Langewiesche. Er vermutet, dass er damit die älteste inhabergeführte Druckerei im Tal leitet.

Eine kleine Schwarz-Weiß-Fotografie zeigt den ersten Firmensitz an der Friedrich-Engels-Allee in Barmen. Das Haus fiel im Zweiten Weltkrieg jedoch einer Bombe zum Opfer. „Als alles in Schutt und Asche lag, hat jemand aus dem Blei der Buchstaben diese Pyramide gegossen“, berichtet der Wuppertaler und wiegt den Tetraeder in der Hand. „Als Briefbeschwerer verfolgt er mich auch schon mein ganzes Leben lang“, sagt der 45-Jährige lächelnd.

Er musste den langjährigen Firmensitz an der Paulistraße in Barmen räumen, da der Vermieter sich entschieden hatte, in Wohnraum zu investieren. Kurz vor dem 150-jährigen Bestehen hätte das den Betrieb beinahe beendet. „Es stand auf Messers Schneide. Die Maschinen lassen sich nicht überall hinstellen — sie sind zu schwer und zu laut.“ Inzwischen rattern sie in der Druckerei Droste vor sich hin.

„Wir ergänzen uns ganz gut und können uns bei Problemen gegenseitig helfen“, beschreibt Inhaber Martin Droste die Vorteile der Kooperation. Einige Maschinen seien nun doppelt vorhanden und wenn eine ausfalle, stehe die Produktion dennoch nicht still. „Da wir unterschiedliche Schwerpunkte und Kundenkreise haben, machen wir uns keine Konkurrenz, sondern empfehlen uns gegenseitig weiter.“

Torsten Langewiesche hat sich auf individuelle Anfragen beispielsweise nach hochwertigen Visitenkarten oder Briefbögen spezialisiert. „Wir stanzen, prägen und perforieren auch auf buntem Papier. Da ich alles selbst setzen kann, schaffe ich mir Raum für Kreativität.“ Das Handwerk hat er von seinem Vater gelernt. „Bei ihm habe ich meine Ausbildung absolviert, bin dann aber in eine andere Firma gegangen, um noch andere Maschinen und Techniken kennenzulernen.“

Als Kind sei ihm immer klar gewesen, dass er die Firma später übernimmt. Doch bis zum Schulabschluss hatten Druckerschwärze und Papier ihren Reiz verloren. „Mit 16 hatte ich andere Ideen und fand Autos viel faszinierender.“ Sein Vater ließ ihm die Freiheit, als Kfz-Mechatroniker in die Lehre zu gehen. „Da ich 1,98 Meter groß bin, war es nicht so toll, in Hockstellung unter der Bühne zu arbeiten. Also bin ich zurückgekommen.“

Familientradition verpflichtet eben doch. „Meine Vorfahren haben sich etwas dabei gedacht, als sie das hier angefangen haben und nun habe ich den Ehrgeiz, das auch zu Ende zu führen.“ Eine weitere Generation wird es wohl nicht geben. „Meine Tochter soll etwas anderes machen. „Deshalb denke ich, dass ich als letzter der Familie hier irgendwann abschließe.“

Von den Bleibuchstaben, aus denen sich einst die Texte auf den alten Zeitungsseiten mühsam zusammen setzten, hat er sich bereits getrennt. „Vor dem Umzug habe ich 1,5 Tonnen Bleisatz entsorgen lassen. Für die originalen Holzlettern hat sich das Museum für Frühindustrialisierung in Barmen interessiert.“

Er hat selbst den Buchdruck aus Einzelbuchstaben noch gelernt und weiß, wie aufwändig das ist. Entsprechend groß ist seine Hochachtung vor dem Zeitungsdruck seiner Vorfahren. „Das war noch richtig Handwerkskunst“, sagt er und streicht über eine der vergilbten Seiten von 1875, auf der Anzeigen den Ausverkauf von Herrenmode und eine Versteigerung von Brieftauben in Elberfeld ankündigt. Jemand sucht einen Abnehmer für seinen Mantelofen, ein anderer einen „Knaben mit guter Handschrift für leichte schriftliche Arbeiten.“

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